Achtes Kapitel

Die Frau in seinem Arm grunzte leise im Schlaf, und davon wachte Dannen auf. Er räkelte sich ein wenig und sortierte seine Rückenwirbel auseinander, doch er achtete darauf, die Frau nicht zu wecken. Sie lag da ganz gut und konnte ruhig noch einen Moment lang dort bleiben, den warmen nackten Leib dicht an seinen geschmiegt, das Gesicht an seiner Schulter verborgen, ihr Kopf ein Wust von dunkelbraunen Locken. Es war besser, wenn sie weiterschlief. Solange sie schlief, brauchte Dannen sich nicht zu verstellen, mußte er nicht entspannt und glücklich spielen. Es war nicht schlecht. Dannen bereute es nicht, mit dieser Frau ins Bett gegangen zu sein - aber er hatte sich mehr erhofft. Mehr Vergnügen. Mehr Zerstreuung.
Dannen seufzte bei sich und starrte an die Decke. Es war schon hell - wie spät mochte es sein? Warm war es, aber das war keine Frage - wenn man nackt mit einer Frau im Bett lag, war es sogar im tiefsten Winter warm. Der Körper der Frau war schweißnaß. Das gefiel Dannen - Frauen schwitzen nicht so, wenn sie es nicht genossen. Es gab also doch noch Dinge, die Dannen konnte, und Frauen, die Gefallen an ihm fanden. War es das? Mußte er sich das unbedingt beweisen? Dannen zwinkerte und schüttelte sanft den Kopf. Am liebsten wäre er aufgestanden, hätte die Frau heimgeschickt und sich selbst auf den Weg ins Badehaus gemacht. Aber er mußte warten, sonst machte das alles keinen Sinn. Dannen hatte durch den Beischlaf nicht gewonnen, was er sich erhofft hatte - nun blieb zumindest noch die Genugtuung, seine Familie ärgern zu können.
Die Frau regte sich. Sie wachte auf. »Hmhm?« fragte sie. »Bist du wach?«
Dannen strich ihr über den Arm bis hinunter zu der Stelle, wo ihre Hand ihren Hintern berührte. »Schon gut. Schlaf weiter, Mäuschen.«
Mäuschen - so nannte Dannen alle Frauen, deren Namen er nicht gut genug im Kopf hatte. Diese hieß Mollin, oder so ähnlich - Dannen wollte nicht fragen. Die Frau konnte nichts für Dannens schlechte Laune, für seinen Trotz - da mußte er sie nicht auch noch unnötig verletzen. Mäuschen, das paßte eigentlich auf alle Frauen, bis auf Hana. Wie mochte Gerrat Hana nennen, wenn er mit ihr schlief? Dannen schluckte. Wenn ein Moment ungeeignet war, an Hana zu denken, dann dieser. Schnell küßte Dannen die Frau auf die Wange. »Hörst du? Schlaf weiter.«
Er selbst konnte nicht mehr schlafen. Nur warten, grimmig warten. Dannen wußte, daß sein Vater ihn erwartete, er hatte für den Vormittag einen Kriegsrat angesetzt, diesmal nicht nur mit seinen Kindern, sondern mit den hohen Generälen und dem Kriegsbotschafter. Es war etwas, das man besser nicht versäumen sollte, und doch hatte Dannen genau das vor. Den Kriegsrat, und am liebsten gleich den ganzen Krieg. Dannen hatte einen Plan, und er war bereit, sich dafür um Kopf und Kragen zu bringen. Aber das war in Ordnung - es war etwas, das Dannen selbst tat, das Dannen selbst entschieden hatte und für das er niemandem die Schuld geben konnte als sich selbst. Dannen glaubte nicht an das Glück, und das Glück glaubte nicht an Dannen - und nun hatte Dannen beschlossen, auf nichts mehr zu hoffen, wofür man beten mußte, und die Dinge selbst in die Hand zu nehmen. Dannen wartete.
Während der Morgen voranschritt, wurde es immer heller in der Kammer und auch immer wärmer. Mehrmals wachte die Frau auf und war zunehmend unwilliger, sich wieder schlafen zu legen. Und da es kaum etwas schwereres gab, als schlechte Laune zu verbergen vor einer Frau, insbesondere einer, mit der man nackt im Bett lag, fing sie auch bald an, unangenehme Fragen zu stellen.
»Was ist denn?« und »Hat es dir nicht gefallen?« und »War ich dir nicht gut genug?« - Frauenfragen eben. Dannen war schon drauf und dran, ihr in jedem Punkt Recht zu geben und sie Heim zu schicken, aber das war ungerecht - sie hatte tatsächlich alles richtig gemacht, und was konnte sie dafür, daß sie nicht Hana war?
Und so sagte er nur »Nein« und »Es ist nichts« und küßte sie und ließ sie sich an ihn kuscheln, bis es endlich an die Kammertür pochte. Dannen schob die Bettdecke zurecht, daß sie gerade genug zeigte, um keine Fragen offenzulassen, und grunzte ein mürrisch-verschlafenes: »Was ist?«
Einen Moment lang fürchtete er, daß ausgerechnet Leota gekommen sein konnte, um ihn zu wecken - er hoffte auf Gerrat oder seinen Vater. Wenn Leota ihn so sah, würde sie nie wieder ein Wort mit ihm wechseln, und sie war die einzige, bei der das schade war. Aber als dann die Tür mit ärgerlichem Nachdruck aufgestoßen wurde, war es tatsächlich Gerrat. Und was immer der auch erwartet hatte: Diese Überraschung war gelungen.
Dannen lächelte. »Guten Morgen, Bruder.« Er ließ zu, daß die Frau die Decke zumindest wieder bis über ihre Brüste hochzog. Er fühlte sie erröten. »Was gibt es?« fragte er gelassen.
Gerrat schüttelte den Kopf, sprachlos. Er brauchte einen erfreulich langen Moment, um sich wieder zu fangen. »Du -«, sagte er schließlich, und dann: »Ich dachte, du liegst mit dickem Kopf im Bett, statt dessen hurst du rum?«
»Sie ist keine Hure«, entgegnete Dannen. »Schau, kennst du sie nicht? War sie nicht mal deine Geliebte?«
Er sah Gerrat erbleichen - ob es nun an der Kälte in Dannens Stimme lag oder an Mollins vertrauten Augen. Aber Gerrat sagte nichts, biß nur die Zähne zusammen.
Dannen fühlte die Frau an seiner Seite zittern, sicherlich vor Wut, und sicherlich auf sie beide. Gerrat hatte sie fallenlassen, vor ein paar Jahren schon, nachdem Dannen hart mit ihm ins Gebet gegangen war. Sie grollte Gerrat noch immer. Fast tat es Dannen leid, daß er sie da hineingezogen hatte, daß er sie benutzt hatte - sie sollte noch die Gelegenheit bekommen, ihn zu ohrfeigen, aber jetzt mußte er kalt bleiben.
Doch Mollin schnaubte, warf die Decke zurück und stieg aus dem Bett. Nackt wie sie war, baute sie sich vor Gerrat auf, und Dannen konnte nicht anders, als ihren ausladenden Hintern zu bewundern. »Wenn du dich an mein Gesicht nicht mehr erinnern kannst, vielleicht hilft dir das hier auf die Sprünge?« Sie stemmte die Hände in die Hüften und blieb stehen, stolz und zornig.
Aber Gerrat schüttelte den Kopf und trat an ihr vorbei, ohne sie und ihren Körper auch nur eines Blickes zu würdigen. »Was denkst du dir dabei?« fuhr er Dannen an. »Hure oder nicht, du kannst sie nicht einfach in die Burg bringen, wo es jeder sehen kann! So besoffen kannst du doch gar nicht gewesen sein!«
»Richtig«, sagte Dannen. Er hatte gestern wenig Lust zum Saufen verspürt - das war einer der Gründe, warum er sich nach kaum einer Stunde wortlos von der Feier seines Vaters verabschiedet hatte. Es sah seiner Familie so ähnlich, ausgerechnet am Tag vor dem Kriegsrat noch einmal die Kuh fliegen zu lassen! Alles, was man anderorts über Vigilanders Haus sagte, war unfreundlich und wahr: Kriege führen und saufen - zwei Dinge, für die Dannen lieber nicht berühmt sein wollte. »Und was wirst du jetzt tun? Zu Vater rennen und ihm sagen, daß ich lieber rumhure, als seinen Krieg zu planen? Oder gehst du ihn gleich holen, damit ihm ja nichts entgeht?«
Er wußte, was geschehen würde, als Mollin herumfuhr, und fing ihre Hand ab, bevor sie ihn ohrfeigen konnte. Er hielt ihr Handgelenk fest und sagte: »Zieh dir was über und geh heim. Das hier geht dich nichts mehr an.«
Sie spuckte ihm ins Gesicht. »Wenn ich hier wie eine Hure behandelt werde, will ich wenigstens Geld dafür.«
Dannen lachte. »Kannst du haben. Melde dich am Besten direkt bei meinem Vater, der ist derjenige mit dem Geld. Wenn du schwanger wirst, sag, es ist von ihm - er ist bekannt dafür, daß er gut für seine Bastarde sorgt.« Er ließ sie los und sah zu, wie sie ihr Kleid und ihre Röcke vom Boden aufsammelte. Es gefiel ihm - nicht, gemein zu sein, aber die Kontrolle.
»Du solltest dich schämen, Dannen«, sagte Gerrat leise. »Vigilander loentos hantas atoi. Tir ym Nilimon vevoi Myrulas.« Dannen brauchte einen Moment, um den genauen Wortlaut zu verstehen, aber die Bedeutung war klar. Schande für Vigilander. Schande für die Familie - getraute Gerrat sich nicht, das offen vor der Frau zu sagen, oder brachte er die bösen Worte nur über die Lippen, wenn er Elomond sprach? Oder wollte er vielleicht nur angeben?
Dannens Elomond war nicht gut genug zum Fluchen, und er hatte auch keine Lust, lange nach den richtigen Worten für eine Antwort zu suchen. »Das trifft sich gut«, sagte er daher nur. »Ich schäme mich auch seiner.«
Er stieg aus dem Bett und begann sich ohne unnötige Hast anzuziehen. Die Frau suchte derweil das Weite, und als sie die Tür hinter sich zuschlug, mußte Dannen lachen. Die sollte sich nur nicht zu sehr aufregen. In Wirklichkeit wollte sie auch nur das Gleiche wie er, und sie hatten es beide bekommen.
»Was ist nun?« fragte er dann. »Holst du jetzt Vater, oder muß ich mich erst mit dir duellieren?«
Gerrat schüttelte den Kopf. »Nein. Ich weiß nicht, auf was du hinaus willst, aber ich spiele da nicht mit.«
»Wie treffend«, sagte Dannen. »Ich habe ja auch keine Lust mehr, bei euch mitzuspielen.« Er trat ans Fenster und schaute nach unten. Es fiel ihm schwer, Gerrat anzusehen. Sie waren immer noch Brüder, und Dannen konnte nicht ewig den Hundsfott spielen. Dannen schwitzte, aber er mußte weitermachen. »Wenn du es ihm nicht sagst, tu ich es.«
Gerrat sagte nichts. Fiel ihm nichts ein, oder hatte er Angst?
»Ein Vater sollte wissen, was in seinem Haus vorgeht«, fuhr Dannen leise fort. »Vor allem, wenn seine Söhne Frauen ins Haus holen, nicht standesgemäße Frauen, um mit ihnen zu schlafen. Ich mache ihm Schande. Das sollte er wissen. Und auch, daß du es ebenfalls tust.«
»Ich wußte das«, sagte Gerrat dumpf und tonlos. »Ich wußte, daß du darauf aus warst, von Anfang an. Du bist ein verdammter Egoist, Dannen.«
»Bin ich das?« Dannen hielt am Himmel Ausschau nach Vögeln. »Und das sagt der Mann, der mir die Frau weggenommen hat?« Er drehte sich um.
Gerrats Augen wurden schmal. »Was willst du? Rache? Das hat doch alles längst nichts mehr mit Hana zu tun. Das geht alles nur um dich.«
Er hatte Recht. Trotzdem sagte Dannen: »Und was hättest du getan? Wann hättest du es Vater gesagt? Doch nie. Da sperrst du lieber Hana weg, damit sie dein Geheimnis bleibt. Und du hast mir noch erklärt, daß sie nicht in einen Käfig gehört.« Er war stolz auf sich. So paßte wieder alles zusammen. Und wenn Gerrat dabei noch ein schlechtes Gewissen bekam -
»Also gut«, sagte Gerrat. »Ich nehme an. Du wirst sehen, was du davon hast.« Er schnaubte höhnisch. »Und ich rede mit Vater.«

Es war schwer zu sagen, wer sich mehr aufregte: Dannens Vater, der König, oder der König, Dannens Vater. In jedem Fall war der Ärger groß. Dannen hatte nichts anderes erwartet, und es schüchterte ihn nicht weiter ein. Daß er einen zuweilen aufbrausenden Vater hatte, wußte Dannen seit mehr als zwanzig Jahren. Früher hatte er den Zorn seines Vaters gefürchtet, wie es wohl jeder Junge tat, der Angst hatte, daß sein Vater ihn nicht mehr liebte. Nun aber gab er auf beides nicht mehr viel - weder auf die Liebe, noch auf das Poltern.
»Schande über dich! Ungehorsamer Hund! Du verdienst deinen Namen nicht!«
»Meinen Namen?« brüllte Dannen zurück. »Das könnte ebenso der eines Bauern sein! Und wenn ich einer wäre, wär’s mir nur um so lieber!«
»Dannen! Was wagst du - wie redest du mit deinem Vater?«
»Wie mit jedem anderen Narren!« Niemand war da, der dazwischengehen konnte. Nur Dannen und der König, aber beide sorgten dafür, daß man sie in der ganzen Burg hören konnte. Schwester, Brüder, Kriegsrat - sie sollten ruhig wissen, um was es ging. Nicht um Frauen, nicht um Hana, nicht um Mollin. Nur um einen Vater, und um einen Sohn.
»Wage es nicht, mich Narr zu nennen! Ich bin immer noch dein König!«
»Und wenn - siehst du nicht, wie dein Erstgeborener unter deinem eigenen Dach mit einer Bürgerlichen zusammenlebt? Siehst nichts, hörst nichts, solange du nur Krieg spielen darfst!«
»Das glaubst du? Glaubst du, ich hätte nicht längst von Hana gewußt? Soll Gerrat doch die Frau lieben, die er liebt - er ist ein braver Sohn, der seine Pflicht tut!«
»Und das ist alles?« Plötzlich mußte Dannen sich anstrengen um zu brüllen. Die Luft fehlte ihm. Der alte Mann wußte es längst? Dannen verfluchte ihn, sich, Gerrat, alle, sogar Hana. »Und wo ist da deine Schande? Dein großartiger Name? Muß Hana erst schwanger werden? Haben wir nicht schon genug Bastarde hier?« Er konnte seinen Vater immer noch zwingen, ein Machtwort zu sprechen und Gerrat aufzufordern, Hana zu verlassen. Das sollte ein Sieg sein, ein kleiner, einer, der keinen Spaß machte, aber zum Spaßmachen gab es ohnehin nicht viel.
Aber Dannens Vater schnaubte nur. »Dann soll er sie heiraten, von mir aus! Besser eine nette kleine Bürgerliche als eine häßliche Kuh aus einem Ritterhaus - glaub mir, ich weiß, wovon ich rede!
Dannen hatte alle seine Trümpfe verspielt. Jetzt konnte er nur noch zurückschreien. »Sprich nicht so von meiner Mutter! Immerhin hat sie nicht rumgehurt, und -«
»So, du bist lieber der Sohn deiner Mutter als meiner? Das kannst du haben! Du wärst kein General ohne mein Blut! Du wärst ein Nichts!«
»Ich scheiße auf dein Blut!« brüllte Dannen. »Und auf deinen Namen und auf deinen Krieg und auf deinen Engel!«
Jetzt hatte er es geschafft. Er hatte die Grenze überschritten. Sein Vater erbleichte. Wirklich, er erbleichte. Er war noch niemals erbleicht. Sein eben noch rotes Gesicht war nun von einem ungesunden Rosa, und seine Augen allzu hell und allzu grün. Dannen hatte noch nie gesehen, wie sich ihre Farbe wirklich veränderte. Es machte ihm Angst. Aber er hatte die Grenze überschritten, er selbst, er allein. Es lag nun alles in seiner Hand. Seine Selbstsicherheit war dahin. Alles in ihm krampfte sich zusammen. Es war ein Unterschied, ob er seinen Vater verfluchte oder seinen Engel. Seinen Vater konnte er um Verzeihung bitten. Aber der Engel der Rache verzieh niemals.
»Dannen«, sagte sein Vater, die Stimme so bleich wie sein Gesicht. »Du weißt nicht, was du redest.« Es war eine Aufforderung in seinen Augen: Dannen sollte nicken, zustimmen, es gab noch ein Zurück - es gab kein Zurück. Dannen schüttelte den Kopf.
»Acht Engel gibt es«, sagte er, »und jeden bis auf einen kann man lieben und verehren, und jeder bis auf einen hat es verdient, selbst Iriander. Aber ich - du und ich und Gerrat und meine anderen glücklosen Geschwister sind Vigilander geboren, einem gehässigen, mißgünstigen Engel, der uns verbietet glücklich zu sein und uns zwingt zu warten, bis uns jemand Unrecht tut. Nur dann dürfen wir uns freuen und müssen Krieg führen - und das soll alles sein? Er hat uns nichts hinterlassen als sein Blut, keine Gaben, die uns von einem Bauern unterscheiden - er gibt nichts auf uns, und ich«, hier mußte Dannen schlucken, »gebe nichts auf ihn.«
Dannen schwieg und starrte zu Boden. Es war gesagt - aber wenn Vigilander seine Gedanken lesen konnte, wie angeblich alle Elomaran bei ihren Kindern, dann wußte er es ohnehin schon längst.
»So denkst du also«, sagte sein Vater schließlich.
»So denke ich«, sagte Dannen. »Ich will diesen Engel nicht, und ich will diesen Krieg nicht. Aber ich glaube nicht, daß das noch etwas ändern wird. Morgen kehre ich nach Lamanthul zurück zu meiner Reiterei, und ich werde tun, was ich tun muß.«
»Nein«, sagte der Vater, und das Blut kehrte in seine Wangen zurück. »Nein, das wirst du nicht.«
»Nein?« fragte Dannen leise. »Ich denke, du wirst froh sein, wenn du mich los -« Die Ohrfeige überrumpelte ihn. Er hätte sie in jedem anderen Moment erwartet, doch sie kam erst jetzt.
»Nichts wirst du tun! Es ist nicht mehr deine Reiterei!«
Innerlich tat Dannens Herz einen Hüpfer, aber er sagte nur trotzig: »Dann ziehe ich eben mit dem Fußvolk.« In ihm war etwas Warmes, Lebendiges. Vielleicht war es seine Seele? Bis dahin war Dannen nicht sicher, ob er überhaupt eine besaß. Es gab ihm die Sicherheit zurück. »Den Krieg hat mir mein verhaßtes Blut beschert, und du müßtest jeden Tropfen dieses Blutes aus mir herausschlagen, bevor du diesen Krieg von mir trennen kannst. Und das kannst du nicht, du kannst mich nicht töten, nicht ohne weiteren Grund. Der Krieg und ich sind einander vorbestimmt. Und wenn mich Vigilander für meinen Frevel bestrafen will, soll das in diesem Krieg geschehen.« Dannen schaffte es, nicht zu zittern, als er diese Worte offenen Auges und aufrechten Hauptes sprach. Er hatte seinen Engel, mehr noch: Sein Schicksal gefordert. Und wenn es auch nur eines von beiden gab, sollte diese Forderung wohl ernstgenommen werden. Aber es war Dannen, als ob er nicht mehr viel zu verlieren hatte.
Sein Vater schnaubte und ohrfeigte ihn nochmals. »Ehe Vigilander dazu kommt, dich zu bestrafen, wird er warten müssen, bis ich mit dir fertig bin - und du wirst dir noch diesen Krieg herbeiwünschen, Sohn, das wirst du.«
Dannen zuckte eine Schulter. »Nur zu - schlag mich. Aber eh du dein Schwert holst, erlaube mir, daß ich mich vorher in mein eigenes stürze.« Er hörte sich sogar lachen und wußte nicht, wo das herkam. Aber es ging ihm gut. Wirklich. Er hätte schon längst mit seinem Vater brechen sollen, und mit Vigilander, wo er gerade dabei war - Das Lachen hatte Dannen, und es ließ ihn nicht mehr los.
»Du wirst dir noch Schläge wünschen«, sagte sein Vater. »Dein ehrloses Blut wird mein Schwert nicht besudeln. Nein, du bekommst deine Strafe, und sie soll schlimmer sein als alles, was Vigilanders Kinder je erleiden mußten. Verlaß dich drauf!«
»Gut«, sagte Dannen. »Ich freue mich darauf.« Und das tat er tatsächlich.
Noch.

Ein wenig hoffte Dannen, daß wirklich alles vorbei war - daß sein Vater ihn verstieß, aus dem Haus jagte, ihn nicht länger Sohn nannte und Dannen frei war für ein karges, neues Leben. Daß er fortan sein eigener Herr sein durfte. Aber so etwas war unwiderrufbar und wollte gut überlegt sein, selbst von einem König von Vigilanders Gnaden. Vielleicht wollte er sich auch mit Gerrat beraten? Oder gleich mit allen Generälen? Jedenfalls fand sich Dannen eingesperrt im königlichen Studierzimmer wieder, mit einer Strafe, die wirklich eine war und einen bitteren Vorgeschmack gab auf das, was Dannen noch erwarten mochte: Schreibkram.
Wenn es einen Grund zum Heiraten gab, war es der, daß die Frau dann die lästigen Verwaltungsaufgaben übernahm - all den Schreibkram und die Berechnungen und jede andere tintenfleckige Arbeit, vor der sich Dannen nach aller Möglichkeit zu drücken suchte. Dazu konnte man keine Hure zwingen, und überhaupt - welche Hure konnte schon schreiben? Nein, das waren die hochehrenwerten Aufgaben einer Gemahlin, während der Mann jagte oder die Burg verteidigte…
Der König sah das offenbar ähnlich. Aber da ihm die Frau davongelaufen war, hielt sie auch nicht mehr sein Studierzimmer in Ordnung, und offenbar konnte sich auch Leota erfolgreich dieser Arbeit verweigern. Nun war also Dannen dazu gezwungen, Briefe zu sortieren, was noch leidlich schnell ging, und alte Pergamente abzuschaben. Seine Hände, gewöhnt, das Breitschwert zu führen, hielten nun ein zierliches Federmesser und kratzten die Schrift von vergeudeten Bögen - oh, Pergament war teuer! Nicht teurer als ein völlig überflüssiger Krieg, aber irgendwo mußte ja einmal gespart werden… Dannen fluchte, die Rollen wollten nicht glatt liegenbleiben und sich abschaben lassen, sondern kringelten sich zusammen, und das Messer war ebenso spitz wie scharf.
Nachdem er sich zum dritten Mal schnitten hatte, mußte Dannen erst mal eine Pause machen, bis sein Finger aufhörte zu bluten. Ging ja nicht, daß das kostbare Pergament gleich Flecken bekam! Aber es war wirklich keine Arbeit für einen kräftigen Kerl wie Dannen. Fast schon ein Wunder, daß die Klinge nicht längst abgebrochen war - aber das war bester Stahl, wie er nur aus Doubladir kommen konnte, würdig für Schwerter und an so ein Spielzeug fast schon vergeudet…
Dannen lutschte das Blut ab, hoffte, daß von dem Schnitt nichts mehr zu sehen war, und machte sich zähneknirschend wieder an die Arbeit. Nie im Leben hätte er seinen Vater für so einen eifrigen Briefeschreiber gehalten! Und daß war er wohl auch nicht, denn dieser ganze Stapel schien aus den Entwürfen für einen einzigen Brief zu bestehen. Wenn er einen Fehler machte oder die Feder kleckste, fegte der König den Bogen beiseite und fing mit dem nächsten an. Anstatt daß er ein einzelnes Wort wegschabte, mußte der arme Dannen jetzt die halbe Seite abkratzen. Als ob der König das schon damals geplant hatte! Und den Brief neu schreiben dauerte sicher dreimal so lange wie ein bißchen Korrigieren - was für ein Brief war das überhaupt, daß er soviel Arbeit wert sein sollte?
Obwohl Dannen wirklich kein Interesse daran hatte, die Briefe seines Vaters auch noch lesen zu müssen - denn der hatte die Handschrift eines Kriegers, selbst wenn er sich beim Schreiben Mühe gab - machte er sich daran, sie zu entziffern. Früher hatte Dannens Mutter ihrem Mann die Briefe geschrieben - wie lang war es jetzt noch wohl hin, bis Gerrat hier saß und der armen Hana diktierte? Hana, von allen Frauen… Dannen wußte nicht, ob sie überhaupt schreiben konnte, er glaubte es nicht -
Und dann erstarrte er. Nicht wegen Hana, nicht weil er sie heute direkt in ein offizielles Verlöbnis mit einem, der sie nicht verdiente, getrieben hatte, sondern weil ihm plötzlich aufging, was für einen Brief da in unerträglich zahlreicher Ausführung vor ihm lag: Es war die Kriegserklärung. Oder, genauer gesagt: Die Erklärung der Kriegserklärung.
Vigilander, der König von Doubladir und von Vigilanders Blute, schrieb an seinen treuen Kampfgefährten, den Kriegsbotschafter Ansgar von Car Diuree. Mein hochgeschätzter Ansgar, schrieb er. Der unerwartete Todesfall am Hofe von Koristan wird für unser Land weitreichende Folgen haben. - Diesen Satz hatte Dannen bestimmt schon sechsmal gelesen, ohne sich viel dabei zu denken außer ‘Oh nein, nicht schon wieder der gleiche Mist’. Aber nun las er weiter und begriff, daß es mitnichten um den Tod des Botschafters Selmar ging - als dieser Brief geschrieben wurde, war dort unten gerade erst der König gestorben. Denn der Rest des Briefes, soweit noch vorhanden und nicht Dannens Federmesser zum Opfer gefallen, war nicht, womit Dannen gerechnet hätte.
Ich habe den Euch nur allzu gut bekannten Selmar nach Koristir geschickt, um sich der Angelegenheit anzunehmen, er zeigte sich nur allzu erfreut, noch einmal als Botschafter tätig werden zu dürfen und ahnt doch nichts von seiner wahren Aufgabe. Auch ohne ihn einzuweihen weiß ich doch, daß auf ihn Verlaß sein wird, auf sein aufbrausendes Temperament und daß er einem guten Schluck nicht abgeneigt ist macht ihn zum perfekten Instrument.
Dieser Satz war in jeder Fassung anders verwirrt, doch in seinem Grundgedanken gleich. Und später wurde es dann noch eindeutiger: Ohne jeden Zweifel wird es nicht lange dauern, bis es ihm gelingt, einen Streit mit den anwesenden Loringarim vom Zaune zu brechen, und sollte es dann zum Äußersten kommen, können wir doch zumindest sagen, daß wir einen entbehrlichen Mann verloren haben, der sein Leben für eine gute Sache gegeben hat. Ich bitte Euch, den schnellstmöglichen Weg nach Car Mentrek einzuschlagen und mich für die weiteren Kriegsvorbereitungen aufzusuchen, damit wir keine kostbare Zeit verlieren, denn es wäre schön, wenn der Krieg bis zum Wintereinbruch unter Dach und Fach ist. Ich leite ferner die Rekrutierung in die Wege - diesen Satz mußte sich Dannen mit Müh und Not zusammenreimen, denn er stand nur in einer einzigen Fassung des Briefs und war halb unter einem großen Tintenfleck verborgen, den Dannen erst mühsam abtragen mußte. Danach folgten noch ein paar Grüße an Ansgars geschätzte Gemahlin und die Hoffnung, das Söhnlein möge wohlauf sein, doch nichts davon interessierte Dannen mehr. Er starrte nur auf die Buchstaben vor seinen Augen, wünschte sich, daß sie verschwammen, verschwanden, neue Worte bildeten - daß sie irgend etwas taten, damit er nichts tun mußte. Er wußte nämlich nicht, was. Saß nur und starrte auf die Briefe und hörte sein Herz hämmern. Seine Hände zitterten. Dannen schüttelte den Kopf und rieb sich die Augen. Ruhig. Ganz ruhig. Solange er in dieser Kammer eingesperrt war, konnte er nachdenken, und das sollte er besser auch. Alles hatte Zeit, bis sein Vater kam, um ihn herauskommen. Alles bis auf eines: Lachen.
Dannen lachte lange, leise, und hilflos. Er konnte gar nicht mehr aufhören damit. Er bekam keine Luft mehr. Sein Brustkorb schüttelte sich, während Dannen sich mit beiden Händen Mund und Nase zuzuhalten versuchte - sein Lachen durfte ihn nicht verraten, durfte nicht den König hereinholen, bevor Dannen wußte, was zu tun war. Er tat weh. Er sah schwarze Flecken, seine Ohren dröhnten bis zum Kopfschmerz, aber es half. Langsam kam Dannen zur Ruhe. Nur ein paarmal gluckste es noch aus ihm heraus. Er schüttelte den Kopf.
»Hundsfott«, murmelte er und meinte seinen Vater damit. »Hurenbock! Heuchler!« In diesem Moment wußte er nicht, ob er den alten Mann nun verachten oder hassen oder bewundern sollte. War das schon immer so - machten Vigilanders Kinder ihre Kriege selbst, inszenierten sie ihre Rache wie ein Maskenspiel, wann immer sie gerade lustig waren? Oder blutdurstig? Nein. Das war nichts zum Stolz sein. Es war schlimm, Sohn eines Engels zu sein, der keinen Lebenssinn als die Rache kannte, aber der Sohn eines Lügners zu sein war schlimmer. Und ein Lügner, der einen Krieg über sein Land brachte und dabei tat, als habe er keine Wahl, der Männer in den Tod schickte - das war ein Mann, dessen Sohn Dannen nicht sein wollte. Fast bereute er die harten Worte, die ihn in dieses Gefängnis gebracht hatten. Er hätte sie sich lieber für jetzt aufgespart, wo er die Wahrheit kannte. Alles was er gesagt hatte, war noch viel zu gut. Den König in einem Atemzug mit Vigilander selbst zu nennen, war mehr, als der alte Mann verdiente.
Aber Vigilander - der mußte das doch wissen? Und dann ließ er es zu? Wieder stieg dieses Lachen in Dannen auf. Natürlich wußte Vigilander das. Engel sahen alles. Aber vielleicht interessierte es den Engel der Rache einfach nicht. Vielleicht plante er auch längst eine schreckliche Strafe für sein Haus. Vielleicht war es auch genau das, was er wollte? Oder aber, und das war es, was Dannen glaubte, es gab die Elomaran längst nicht mehr. Sie waren davongeflogen, gegangen, wie damals die Götter, und die Menschen konnten tun uns lassen, was sie wollten - mehr tun als lassen, wahrscheinlich. Vielleicht hatte es nie einen Engel der Rache gegeben. Vielleicht hatte Dannens Familie ihn nur erfunden, um sich zu Königen zu machen - das erklärte, warum sie keine Gaben hatten oder sonstwas, nur scharfe Schwerter… Und Dannen konnte Vigilander verfluchen, soviel er wollte - es traf keinen. Was schon ein Grund war, es nicht zu tun. Es machte keinen Sinn mehr. Aber seinen Vater, den konnte er verfluchen, und den sollte und mußte er verfluchen, wenn es sonst niemand wagen würde!
Dannen lachte in sich hinein, als wären diese Briefe das Komischste auf der ganzen Welt und der Krieg nur ein Witz. Er malte sich aus, wie er gleich vor den Kriegsrat treten würde, um mit kaltem Triumph die Briefe auf den Tisch gleiten zu lassen und dann zuzusehen, wie seinem Vater vor Schreck der Bart aus dem Gesicht fiel. Dann hatte dieser ganze Krieg ein Ende und die ganzen Lügen dazu, und dann -
Das Lachen gefror in Dannens Kehle. Das war eine Falle. Eine Falle für Dannen. Er saß mittendrin, er saß fest. Und das ganze böse Wissen würde ihm nichts bringen, niemals. Falle. Falle. Falle. Was immer Dannen über seinen Vater sagen mochte - der Mann war kein Narr. Gerissen war er, gerissen genug, um einen Krieg so vom Zaun zu brechen, daß er alles vorbereitet hatte, noch bevor es losging, und gerissen genug, um seinem eigenen Sohn eine solche Falle zu stellen.
Die Briefe lagen dort nicht aus Zufall oder Achtlosigkeit. Sie lagen dort, damit Dannen sie fand. So viele Abschriften, daß er sie früher oder später über der Arbeit lesen mußte. Die ganze Strafarbeit hatte keinen anderen Sinn, als Dannen diesen Brief, dieses Geheimnis aufzudrängen. Dannen zweifelte nicht daran, daß die Entwürfe echt waren - der König konnte nichts von Dannens Racheplänen geahnt haben, und es dauerte Stunden, wenn nicht Tage, soviel zu schreiben - keine Falle war das wert. Dannen zweifelte auch nicht daran, daß der Kriegsbotschafter genau diesen Brief erhalten hatte. Aber konnte er das beweisen? Oder daß es wirklich die Hand seines Vaters war? Niemals. Wer seinen Engel zum Lügen benutzte, der würde auch diesen Brief verleugnen. Und dann stand Dannen da, der undankbare trotzige Sohn, der seinen Engel verflucht hatte, die Ehre der Familie zerstören wollte, den gerechten Krieg verhindern, und der so weit ging, sogar Briefe seines Vaters zu fälschen - genug Zeit dafür hatte er ja, seit der König ihn im Studierzimmer eingeschlossen hatte. Nur der Versuch eines Sohnes, sich an der Familie zu rächen…
Und selbst wenn man ihm glaubte, was dann? Wenn bekannt wurde, daß der König sein Volk belog und betrog, um es in den Krieg zu schicken - das war kein Skandal mehr. Ein Skandal war es, als der König Rul als Sohn anerkannte und seine Frau ihn daraufhin verließ. Das war eine Schande, und es war schlimm, für die Familie, für Dannen, für das ganze Land. Aber dies hier - das war ein Untergang. Grund genug für einen Bürgerkrieg, Grund genug für das Volk, sich zu erheben und seinen König davonzujagen, so wie man es in Koristan für weniger getan hatte - wenn Korisanders Kinder nicht vor so etwas gefeit waren, warum sollte Vigilanders Haus es dann sein?
Dannen kannte das schrecklichste Geheimnis seines Landes, und das schrecklichste daran war, daß es ihm nichts nutzte. Es mußte ein Geheimnis bleiben, für immer und ewig. Das war die eigentliche Strafe seines Vaters - dieses Geheimnis mit Dannen zu teilen, es ihm aufzubürden wie die schwerste aller Lasten. Wer wußte davon? Ansgar? Der war ein harter, kalter Mann, der den Krieg mehr liebte als alles andere und der bereit war, alles dafür zu tun. Ein Bürgerkrieg konnte ihm egal sein, Krieg war Krieg, es war nicht sein Engel, und ein Gewissen besaß Ansgar kaum. Dann der König, natürlich.
Und Gerrat, was war mit dem? Er war der Thronfolger, er lebte hier auf der Burg, er lernte das Handwerk seines Vaters - aber das wußte er nicht. Dannen mochte Gerrat hassen, manchmal auch verachten - aber er kannte ihn zu gut. Gerrat hatte nicht unbedingt ein gutes Herz, aber ein leichtes. Dannen wollte, daß es so blieb. Nicht, um seinen großen Bruder zu schützen - er hätte es ihm gegönnt, diese Bürde tragen zu müssen an Dannens Stelle. Aber Gerrat sollte ein guter König werden, oder zumindest besser als sein Vater - wenn er nicht selbst auf diesen Gedanken kam, durfte man ihn nicht noch künstlich auf die Idee bringen. Und die anderen Geschwister? Auch die wußten es nicht. Jaro war zu weich, Rul immer noch nur ein Bastard, und hätte Leota es gewußt, wäre sie auch diejenige, welche diese Briefe schreiben mußte. Dieses Geheimnis war Dannens, Dannens allein.
Einen Moment lang zögerte er noch. Spähte zur Tür, lauschte. Er war allein. Zu hören gab es nur das Dröhnen in seinen Ohren und seiner Brust. Aber er war, wenn auch aufgewühlt, klar im Kopf. Er wußte, was er zu tun hatte. Das Federmesser lag in seiner Hand wie das schärfste aller Scharfrichterschwerter. Und es flog über das Pergament wie die heiligen Schwingen der Rache, und es verschlang die Worte, eines nach dem anderen, bis keines von ihnen mehr übrig war. Nur aus Dannens Kopf konnte es das Geheimnis nicht herauskratzen. Dort war es eingebrannt, und würde es eingebrannt sein, solange noch Leben in ihm war.
Als dann sein Vater kam, um ihn aus dem Arbeitszimmer zu entlassen, saß Dannen dumpf zusammengesunken am Schreibtisch und starrte aus sein Werk: Einen Stapel abgeschabter Pergamente, die obersten hauchdünn, durchsichtig, durchlöchert, unschuldig. Die Tischplatte, der Fußboden, Dannen selbst, alles war voll mit kleinen schwarzen Bröseln. Dannen machte sich nicht die Mühe, sie zusammenzufegen oder abzuwischen. Diese Krümel waren ohne Bedeutung, konnten keinen Schaden mehr anrichten. Nur das Federmesser war zerbrochen, sein einziger Komplize und Mitwisser. Und auch das war keine Absicht, nur ein Mißgeschick. Den Rest der Arbeit hatte Dannen mehr schlecht als recht mit seinem Dolch verbracht, und mit seinen eingerissenen, schwarzen Fingernägeln. Als sich die Tür öffnete, blickte er auf.
Der König sagte nichts, während er seinen Blick über Dannens Tagwerk wandern ließ, und dann: »Ich sehe, du warst fleißig.« Es lag kein Spott in seiner Stimme und kein Stolz, kein Mitleid, nichts. Nicht einmal Kälte. Er fragte nicht, ob Dannen die Briefe gelesen hatte. Dannens Sprachlosigkeit sagte es ihm.
Langsam stand Dannen auf, klopfte sich ab, und dann nahm er sich zusammen und blickte seinem Vater ins Gesicht. In die Augen. Er wollte etwas sagen, irgend etwas, er wußte nicht, was. Sein Vater blickte nicht weg. Einen Moment lang teilten sie wortlos ihr Geheimnis, starr und gefühllos. Dann, langsam, kehrte dieses Lachen zu Dannen zurück. Er schnaubte.
»Und was machst du damit?« fragte er und deutete mit dem Kinn auf das heilige Schwert an seines Vater Seite. Das Hände konnte er nicht nehmen, sie waren so ineinander verkrampft, daß er nichts mit ihnen anzufangen wußte. »Nimmst du Ruß?«
Sein Vater gab ihm hierauf keine Antwort. Aber Dannen hatte auch nichts anderes erwartet.

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