Die Stimmen waren nicht
für Hanas Ohren bestimmt. Sie kamen von weither, und hinterher
vermochte Hana nicht einmal zu sagen, wem sie denn nun
gehörten.
»Wir dürfen es ihr nicht sagen«, flüsterte
die erste Stimme. »Die Aufregung ist zuviel für sie in
ihrem Zustand, nachher verliert sie noch das Kind.«
Die zweite Stimme erwiderte ruhiger und noch leiser: »Und
wenn? Dann wäre es doch für alle am besten, am
allermeisten für sie selbst.«
Da wußte Hana, daß er tot war.
Aber sie regte sich nicht auf, nicht in diesem Moment und nicht
später. Sie setzte sich nur auf, wiederholte bei sich selbst
‘Jetzt ist er tot’, und wunderte sich, warum sie nichts
fühlte. Jeder erwartete, daß ihr das Herz brach vor Gram
- warum brach es dann nicht? Warum fühlte sie sich nicht, als
sei mit Gerrat auch ein Teil von ihr gestorben? Als ihr Vater
starb, nachdem sie drei Tage und Nächte nur dann von seiner
Seite gewichen war, um die Tiere zu versorgen, da hätte man
Hana gleich mit ihm begraben können. Als sie ihre Mutter
verlor, fühlte es sich auch anders an - Hana war noch klein,
hatte sie kaum gekannt, nur ihr Leben lang, aber das war zu kurz
zum Erinnern - wußte sie nichts über Trauer und nichts
übers Sterben, aber sie vermisste ihre Mutter noch Jahre
später wieder und wieder, vermisste sie für all die Zeit,
die sie nicht miteinander verbringen konnten. Vielleicht war es
das? Hana hatte selbst ihre Mutter länger gekannt als Gerrat,
was war schon ein Jahr? Er würde ihr fehlen, immer und immer
wieder, in all den kommenden Jahren, an jedem Tag, an dem sie ihr
Kind ohne Vater aufwachsen sah, aber jetzt? Er war so fern. Sein
Tod war so fern. Fern wie der Krieg - unfühlbar, unwirklich.
Gerrat war im Krieg gestorben, nicht im Bett. Hana und der Krieg
waren verschiedene Welten, aber Hana konnte ihn sich
vorstellen.
Gemetzel.
Hana war Falknerin, sie wußte, wie Gemetzel aussah. Wenn der
Falke mit Schnabel und Klauen über sein Futter herfiel,
Küken, Kaninchen, seit sie bei Hofe lebten, mußten sie
nicht mehr wildern gehen, war das blutig und grausam, aber es
mußte so sein, und Hana fand nichts dabei. Fleisch war
Fleisch, Blut war Blut, Gemetzel war Gemetzel - aber in Hanas
Vorstellung überlappten sich die Bilder. Gerrat, zerfleischt,
erschlagen, aufgeschlitzt, durchbohrt. Knochen splitterten, Blut
floß, Schlamm spritzte, Haare, Hautfetzen, Gedärme
überall, und alles war Gerrat…
Hana erbrach sich heftig und hoffte, daß das endlich die
Trauer war. Sie hatte sich seit sechs Wochen nicht mehr
übergeben müssen, nicht mehr häufig zumindest, es
war also nicht wegen der Schwangerschaft, aber es fühlte sich
an, als ob sich das Kind in ihr vor Schmerzen zusammenkrümmte.
Schmerzen oder Trauer, was machte das schon?
»Gib Ruhe«, sagte Hana. »Du stirbst
nicht.« Es fühlte sich seltsam an. Hana sprach sonst nie
mit dem Kind. Vögel brüteten ihre Eier aus, aber sie
sangen ihnen keine Lieder. Das Kind war zwar lebendiger als ein Ei,
aber es hatte kein Gesicht, keine Stimme - es lebte, lebte in Hana,
doch es war fremd. Es hatte keinen Namen. Hana war nicht so gut mit
Namen. Der Falke hatte keinen. Wenn sie denn einen brauchte, die
paar Male, wo es nötig war, nannte Hana sie
Mädchen - was sollte sie tun, wenn das Kind auch eines
war? Angeblich konnten Frauen fühlen, ob sie Junge oder
Mädchen trugen, aber Hana wußte es nicht zu sagen. Sie
kannte auch zu wenige Mütter und schwangere Frauen, um zu
sagen, ob überhaupt etwas daran war. Engel, sie kannte noch
nicht einmal genug Kinder, um jetzt selbst eines zu haben!
Gerrat war tot. Hana wiederholte den Gedanken, bis er wieder
für sich allein stand, bis er losgelöst war von den
Bildern von blutigem Fleisch, bis er endlich wieder fern war und
kühl und Hana versuchen konnte zu trauern, statt sich zu
grausen. Gerrat war tot. Ob er nun im fernen Loringaril gefallen
war oder unter ihrer Hand eingeschlafen, sie würde ihn nicht
wiedersehen. Niemals, niemals, niemals - es ging nicht. Wenn sie
versuchte zu trauern, füllte sich ihr Kopf mit Bildern von
zerfetzten Kadavern. Und wenn sie all diese Bilder verbannte,
fühlte sie sich nur befreit.
Die letzten Wochen, sogar die letzten Monate über, aber vor
allem, seitdem sie das Kind erwartete, war Hana nicht mehr Herrin
ihres eigenen Lebens. Sie hatte dem Kind die Schuld daran gegeben,
aber jetzt, wo es vorüber war, mußte Hana zugeben,
daß es in Wirklichkeit Gerrat war. Sie hatte sich Gerrat
selbst ausgesucht, hätte Nein sagen können, es besser
wissen, vielleicht war er es sogar wert - aber Freiheit war
mindestens soviel wert, wenn nicht mehr. Gerrat war gutaussehend,
gescheit, bezaubernd, lieb; er hatte ein einnehmendes Wesen, und
auch Hana hatte er eingenommen, so wie man eine feindliche Burg
einnahm oder ein Land, und plötzlich hatte Hana keine Wahl
mehr, und keine Freiheit. Bis jetzt. Gerrat war tot, und Hana war
frei, seltsam frei, so frei man mit einem Kind im Leib nur sein
konnte, frei, ihren Körper zu nehmen und zu gehen, wohin sie
nur wollte. Und Hana wußte, wohin sie gehen wollte. Gehen
mußte, bevor sie irgendwo anders hinging.
Sie nahm nur ihren Mantel, als sie das Zimmer verließ. Sonst
brauchte sie nichts, und sie wollte auch nichts - die Kleider, die
Gerrat ihr geschenkt hatte, fühlten sich nicht an, als
würden sie ihr gehören, und das Gleiche galt für die
Dienerschaft - Hana wollte nicht, daß jemand ihre Sachen
packte, sie wollte nicht, daß jemand ihr diente. Es
schmeichelte ihr nicht, wenn drei Frauen um sie
herumscharwenzelten, es beschämte sie nur. Nicht einmal Leota,
die immerhin hochgeboren war, hatte so viele Dienerinnen und
bestand darauf, sich allein anzukleiden, und so hatten all ihre
abgelegten Dienerinnen nun in Hana ein unwilliges Opfer gefunden,
und seitdem Leota fort war, gab es auch niemanden mehr, der ihr zur
Seite stehen konnte. Alle waren fort. Es gab niemanden mehr in der
Burg außer Hana und dem Gesinde, und sie fühlte sich in
niemandens Schuld. Nur ihren Mantel nehmen, ein Pferd satteln und
losreiten, so allein, wie sie von nun an immer sein sollte.
Mit dem Mantel über dem Arm schlich Hana über den Flur
und fragte sich, vor wem sie sich da zu verbergen suchte - sie war
niemandem Rechenschaft schuldig, nicht in dieser Burg, nur sich
selbst, dem Kind und dem Falken. Niemand hatte sich ihr in den Weg
zu stellen, wenn sie aufbrach, um Gerrat zu sehen. Denn das
mußte sie, und das würde sie - so schwanger konnte sie
gar nicht sein, daß es sie davon abhielte, Gerrat zu sehen.
Zu sehen, daß er tot war, aber noch an einem Stück, und
daß er seinen Frieden hatte.
Hoffte sie. Hana wußte genug über Kadaver, um sich
ausmalen zu können, wie Gerrat aussah, bis sie da war - erst
mußte die Botentaube zu ihr nach Caer Diuree kommen und dann
Hana selbst zu Gerrat nach Loringaril - aber selbst wenn sie Gerrat
inzwischen beisetzten, wenn Hana ihn mit den eigenen Händen
aus dem Abgrund zerren mußte, sie würde sich von ihm
verabschieden.
So schlimm konnte die Wirklichkeit gar nicht sein, daß sie
an die Bilder hinter Hanas Stirn heran reichte. Mit eigenen Augen
sehen, mit eigenen Händen fühlen, daß er tot war,
damit sie es wußte, damit der böse Traum endlich endete
und nichts mehr blieb als die Wirklichkeit. Hana konnte nicht
glauben, daß er tot war. Eigentlich konnte sie an gar nichts
glauben…
Sie stahl sich den Gang entlang, schnell zu den Ställen,
irgendein Pferd mußte es tun, keines davon gehörte Hana,
es war egal, alles egal… Aber Hana kam nicht weit.
»He, Mädchen, halt! Wo willst du hin?«
Hana blieb stehen, nicht weil sie sich angesprochen fühlte -
Frau hätte es vielleicht getroffen, aber als
Mädchen fühlte sie sich schon lange nicht mehr - sondern
weil sonst niemand da war, der gemeint sein konnte. Sie drehte sich
nach der fremden Stimme um, halb verärgert, halb neugierig.
»Was ist?« fragte sie schroff.
»Hm«, sagte die Frau, die hinter Hana den ganzen Flur
mit ihrer Anwesenheit ausfüllte. Sie war nicht groß,
kleiner noch als Hana, die selbst nicht die großgewachsenste
aller Frauen war, vor allem neben so stattlichen Erscheinungen wie
Leota. Auch diese Frau war stattlich, aber auf andere Weise - sie
war recht dick, aber das allein war es nicht, es war viel mehr der
Rest, ihre Art, ihre Stimme, und natürlich das Alter, das ihre
kurzgeschnittenen lockigen Haare silbern gefärbt hatte. Hana
sah ihr Gesicht zum ersten Mal und hatte es doch an anderer Stelle
schon so oft gesehen… Hana erstarrte. Sie wußte,
wo.
»Hm«, sagte die Frau. »Du bist also sein
Mädchen, so? Schwanger bist du? Siehst mir nicht danach aus.
Sicher, daß sie dich auch anständig füttern,
hm?«
Hana konnte nicht antworten, sie nicht anschreien, wie sie auch
nur an Essen denken konnte an einem Tag wie diesem… Alles in
ihr krampfte sich zusammen vor jähen Schmerzen - es sollte ihr
Herz sein, es mußte ihr Herz sein, das durfte schmerzen, aber
wenn es das nicht war, wenn es ihr Unterleib war, würde sie
ihr Kind gebären, jetzt, sofort, hier auf diesem kalten kargen
Flur. Sie schluchzte und ging auf die Knie vor Schmerzen und
Schmerz.
Die Frau schüttelte den Kopf mitleidlos. »Stell dich
nicht an, Mädchen, du bist nicht seine Witwe, nur schwanger,
und zum Schluchzen wirst du noch Grund genug bekommen - jetzt steh
auf und laß dich anschauen.« Ihre Stimme war an Befehle
gewöhnt, nicht an Widerspruch, und Hana leistete keinen.
»Wer seid Ihr?« würgte sie statt dessen schwach
hervor. Sie wußte es, oder glaubte es zu wissen aber sie
hatte keine Ahnung, wie sie diese Frau anreden sollte -
Majestät? Oder Mutter?
Die Frau schnaubte. »Daß du dir das nicht selbst
denken kannst!«
Hana suchte ihren Kampfgeist und fand ihn nicht - es war soviel
leichter, sich gegen einen Mann zu behaupten: So viele Männer
waren gewöhnt, eine Frau von oben herab zu behandeln,
daß Hana ihnen aufrecht entgegentreten und sie in die
Schranken weisen konnte - aber dies war selbst eine Frau, und die
machte es ebenso, setzte sich durch gegen Männer und Frauen
und hatte soviel mehr Erfahrung darin, daß Hana sich ganz
klein und hilflos fühlte. Aber sie schaffte es, sich wieder
aufzurichten und der Frau ins Gesicht zu blicken.
»Ihr seid Gerrats Mutter«, sagte sie und setzte
hinterher: »Aber das ist weder Name noch Titel.«
War das ein Lächeln? »Heißt das, du kennst noch
nicht einmal meinen Namen?«
»Ihr kennt meinen doch auch nicht.« Langsam kehrte das
Leben doch zu Hana zurück, und es tat gut - kämpfen lag
Hana mehr, als sich bemitleiden zu lassen.
»Wenn du mir beweist, daß du einen Namen verdienst,
sollst du einen haben«, sagte die Frau. »Bis dahin freu
dich, daß du für mich noch Gerrats Mädchen bist und
nicht irgendeine schwangere Schlampe.«
»Ich bin aber kein Mädchen«, sagte Hana,
»und ich gehöre mir selbst, nicht Gerrat - und das
müßtet Ihr am besten wissen.«
Vor zwanzig Jahren wäre es so einfach gewesen - da war diese
Frau noch eine Königin, die Burg gehörte ihr, alles war
ohne jeden Zweifel. Aber dann hatte sie den König verlassen,
und so war sie heute weder Königin noch Hausherrin: Hana hatte
keine Ahnung, welchen Titel eine ehemalige König trug, oder ob
sie irgendein Recht hatte, so mit Hana zu reden - nein, das
wußte Hana schon lange: Niemand hatte dieses Recht. Aber das
schien die Frau nicht zu wissen.
»Ich«, sagte sie, »bin die Freifrau Elorna.
Freifrau, hörst du? Und du, Mädchen, wirst jetzt mit mir
kommen.«
»Das werde ich nicht tun«, entgegnete Hana, ihre
Stimme wieder fester. »Ich wollte meinen Weg an der Seite
Eures Sohnes gehen, aber jetzt gehe ich ihn allein, und es ist
nicht an Euch, über mein Leben -«
»Du wirst mit mir kommen«, sagte die Freifrau
schneidend, »schon weil du es meinem Sohn schuldig bist! Ich
werde dieses Geschwätz von dir nicht dulden, Mädchen -
vergiß nicht, ich habe heute meinen Sohn verloren, also
hüte deine Zunge! Glaub nicht, nur weil ich mich nicht heulend
am Boden winde, daß ich nicht trauere!«
»Es tut mir Leid«, sagte Hana, und das tat es. An
diesem Tag fiel es ihr schwer zu glauben, daß es außer
ihr noch andere Menschen auf der Welt gab… Dabei hatte sie
sich immer wieder gewünscht, Gerrats Mutter einmal
kennenzulernen, aber unter allen erdenklichen anderen
Umständen - wenn sie ihr jetzt sagte, wieviel sie ihr
verdankte, die Freifrau würde ihr weder Glauben noch Interesse
schenken. Dabei stimmte es: Ohne das Schicksal der Königin
hätte Hana niemals eingewilligt, Gerrat zu heiraten - aber
wenn eine Königin in der Lage war, ihre Sachen zu packen und
zu gehen, dann galt das auch für Hana. Dann konnte sie sehen,
wie lange es gutging, und wenn es nicht mehr gutging, gehen…
Jetzt konnte sie es nicht mehr sagen. Daß sie jemals auch nur
daran gedacht hatte, Gerrat zu verlassen, mußte jetzt ein
Geheimnis bleiben.
»Es tut mir Leid«, konnte Hana sagen. Aber eine
Berührung, eine Umarmung gar, kam nicht in Frage. Auch wenn
das Gerrats Mutter war, auch wenn sie eine Mutter für Hana
hätte werden können - jetzt stand sie dort als eine
Fremde, zu stark und zu fern und niemand, der umarmt werden konnte,
sollte, wollte, durfte. Hana hob die Hand, um zumindest
flüchtig tröstend den Arm der Frau zu berühren, und
ließ sie wieder sinken. Wenn, dann mußte diese Geste
von der Freifrau ausgehen - aber die stand nur da, klein und stark
und unnahbar.
»Und wo willst du jetzt hin, Mädchen?« fragte
sie. »Willst dich aus dem Staub machen, was? Dein Kind
irgendwo in einer Hütte zur Welt bringen, heimlich?«
Hana schüttelte den Kopf, kaum merklich - die Starrheit der
Freifrau griff auf sie über, lähmte sie. Fast konnte sie
unter der Forschheit den Schmerz fühlen, der nicht geteilt
werden konnte und wollte. Ihre Stimme zitterte wieder. »Wenn
Ihr den gleichen Weg habt wie ich… Ich muß nach
Loringaril, ich will Gerrat sehen, ein letztes Mal.« Die
Freifrau blickte sie nur an, und Hana redete weiter, etwas
heftiger: »Und sagt mir nicht, ich bin schwanger und kann es
nicht - ich bin nicht mehr so schwanger, daß ich jeden Tag
brechen muß, und noch nicht so sehr, als daß ich mich
nicht mehr bewegen könnte: Wenn ich es einmal tun kann, dann
jetzt, und wenn ich es einmal tun muß, dann jetzt.«
Die Freifrau blickte sie an, aber vielleicht änderte sich
dabei etwas in ihren Augen - Hana konnte es nur raten, sie hielt
diesem Blick nicht stand, sah der Frau auf den Mund und nicht in
die Augen, und dem Mund war ein Lächeln fern. Irgendwann sagte
Elorna: »Du glaubst also, du bist stark?«
»Ich bin stark«, antwortete Hana und wußte,
daß es nicht stimmte, nicht in diesem Moment. »Glaubt
Ihr, nur Ihr seid stark, weil Ihr Euren Mann verlassen habt? Ich
bin stark genug, um bei meinem zu bleiben.«
Die Freifrau lachte leise, höhnisch und heiser. »Bei
ihm bleiben, wie stellst du dir das vor… Willst du dich mit
ihm begraben lassen?« Sie schüttelte den Kopf, bevor
Hana noch etwas erwidern konnte. »Nein, stark mußt du
wohl sein, denn klug bist du nicht, und irgendwas muß mein
Sohn ja an dir gefunden haben.«
»Ich bin klüger als Ihr meint«, sagte Hana und
war erstaunt, wie selbstverständlich die Freifrau zwischen
klug und stark abwägte, ohne dabei einen Gedanken an
Schönheit zu verschwenden. Es stimmte, Gerrat liebte Hana
nicht um ihrer Schönheit Willen, das unterschied ihn von so
vielen anderen Menschen und Hana von all den schönen Frauen,
die Gerrat vor ihr gehabt hatte und nach ihr hätte haben
können…
»Klug kannst du nicht sein«, sagte die Freifrau,
»sonst wärst du nicht hier. Willst du zu deinem toten
Liebhaber reiten wie ein aufgescheuchtes Huhn - was glaubst du
denn, geschieht dort in Doubladir mit seiner Leiche, sollen sie die
so lange liegen lassen, bis sein schwangeres Frauchen es schafft,
dort aufzuschlagen? Oder ihn in der Ferne verscharren? Noch
während du und ich hier stehen, ist Gerrat auf dem Weg
hierher. Sein Körper wird in Caer Diuree beigesetzt, im
Schoß der Familie, so wie alle anderen.«
Hana stand wie versteinert und wußte nichts mehr zu sagen.
Nein, diese Idee war ihr nie gekommen - aber was wußte sie
auch über die Totenbräuche bei Hofe? Sie starrte zu
Boden.
»Und darum wirst du hübsch hier bleiben,
Mädchen«, redete die Freifrau weiter und erlöste
sie damit zumindest aus dem Schweigen. »Was dann aus dir
wird, oder aus deinem unseligen Kind, wird sich nach der Beisetzung
zeigen. Bis dahin werde ich hier bei dir bleiben, ein Auge auf dich
haben -«
»Das müßt Ihr nicht«, fiel Hana ihr ins
Wort. »Bleibt, um auf Euren Sohn zu warten, damit Ihr
gebührend Abschied nehmen könnt - aber bleibt nicht um
meinetwillen.«
»Du verstehst nicht«, sagte die Freifrau, »und
ich glaube, du willst auch nicht verstehen, darum werde ich keine
weitere Zeit damit verschwenden, mit dir zu streiten. Ich werde
hier bei dir bleiben - meine Gründe können dir egal sein,
aber du brauchst im Moment jeden Beistand, den du irgendwie
bekommen kannst - und ob du ihn willst oder nicht, ist mir
egal.«
Hana war es mehr so, als würde sie Beistand gegen die
Freifrau brauchen, aber sie schwieg. Wenn es sein mußte,
würde sie eben so lange hier auf der Burg warten, und
vielleicht war Elorna bessere Gesellschaft als niemand - aber wenn
sie einmal von Gerrat Abschied genommen hatte, dann sollte niemand
sie mehr an diesem Ort halten können.
Bis zu jenem Tag hatte Hana,
die den besten Teil ihres Lebens in einer kleinen Kate verbracht
hatte, die Burg für einen erdrückend großen Ort
gehalten, an dem sich eine Familie wochenlang aus dem Weg gehen
konnte, statt miteinander zu leben - groß, aber kalt, mit
Platz, aber ohne Freiheiten. Doch jetzt, wo die Freifrau wieder
Einzug gehalten hatte an diesem Hof, der einst ihrer war, hatte
sich das geändert: Plötzlich war aller Platz fort, war
die Anwesenheit der anderen Frau über allem und zuerst, nahm
Hana die Luft zum Atmen und den Raum zum Trauern.
Hana fragte nicht, was Elorna von ihr erhoffte, welche Regung sie
sehen wollte, welches Verhalten - es war ihr egal, sie wollte nicht
gefallen, nicht einer Frau, der ihr eigenes Gefallen vor Hana
mindestens so egal war. Sie wollte nur etwas Zeit für sich,
für ihr Kind, ihren Falken und für Gerrat, aber es ging
nicht mehr. Wo immer sie sein wollte, war Elorna schon vor ihr,
eine Stickerei auf den Knien, ohne viele Worte zu verlieren, aber
schon ihre Anwesenheit genügte, um Hana das Leben wegzuatmen.
Es gab viel, über das sie sich hätten unterhalten
können - in einer anderen Welt, in einem anderen Leben
vielleicht. Hana wollte sich nicht unterhalten und nicht
unterhalten. Sie wollte ihr Leben leben. Sie wollte trauern. Sie
wollte Gerrat wiederhaben. Aber nicht so. Nicht auf einem
schwarzverhängten Fuhrwerk.
Schlimmer als das Eintreffen von Gerrats Leiche war das Warten
darauf. Hana wußte nicht, wie weit es bis Loringaril war war
- wie weit für eine Brieftaube, wie weit für einen
Reiter, und wie weit für einen Leichenzug. Jeden Tag stand sie
am Fenster, wartete auf das, was sie so sehr fürchtete - aber
jeden Tag, den sie wartete, keimte in ihr dieses
gräßliche bißchen Hoffnung: Daß die Kutsche
kam und Gerrat herausstieg, verwundet vielleicht, aber am Leben.
Oder daß man ihr einen Toten zeigte, sie einen Blick darauf
warf und dann sagen konnte ‘Aber das ist er gar
nicht!’. Die Hoffnung war tückisch, und sie schmerzte so
viel mehr als die Gewißheit.
Es waren schreckliche, quälende Tage, und als sie zur Woche
wurden und zu zwei Wochen, drei Wochen, und als sie dann immer noch
mehr wurden und immer länger und länger… Es war
Hana, als säße sie schon ihr ganzes Leben lang mit der
Freifrau auf der Burg und hätte ihr ganzes Leben lang nichts
anderes getan als warten und warten und sich wünschen, weit
weit fort zu sein. Dieses Leben wäre schon mit Gerrat schwer
zu ertragen gewesen. Ohne ihn war es doppelt schrecklich.
Fast atmete Hana erleichtert auf, als endlich das Fuhrwerk des
Todes in den Burghof einbog; sie floh von ihrem Fenstersitz und
eilte hinunter, schneller als es sich für sie geziemte und als
die Freifrau ihr folgen konnte. Dies war Gerrat, ihr Gerrat,
sie wollte, mußte die erste sein, die ihn sah -
Wie lange war er jetzt tot? Drei Wochen, vier Wochen? Es
mußte ein entsetzlicher Anblick sein, und doch nicht halb so
schlimm wie das, was sie in ihren Träumen heimsuchen mochte.
Sie mußte dem toten Gerrat ein Gesicht geben, selbst wenn er
keines mehr haben sollte, selbst wenn nur noch Knochen von ihm
zurückgeblieben waren -
Da lag Gerrat hinter dem schwarzen Tuch. Lag, als ob er erst
gestern gestorben wäre, und war doch ohne jeden Zweifel tot.
Seine Haut war so gelb wie alte Milch und glänzte
wächsern, seine Augen waren geschlossen, seine Wangen
eingefallen. Seine schönen dunklen Locken klebten zusammen wie
nach einem langen Ritt; sein Bart war sauber gestutzt, nirgends
auch nur ein Tropfen Blut zu sehen - Hana zog das Tuch fort, das
Gerrats Körper bedeckte, er trug seine Rüstung darunter
oder eine, die man ihm angezogen hatte, damit man die Wunden nicht
sah. Seine Hände waren über dem Herzen gefaltet. Es war
ein friedlicher Anblick, der nicht passen mochte zu einem Mann, der
sein Leben im Krieg gelassen hatte - kein schöner Anblick, es
gab keine Schönheit im Tod, nur stille Perfektion. Aber
daß er so dalag, als ob keine Zeit für ihn vergangen
wäre und für sie -
Hana hörte sich noch laut aufschluchzen. Dann gaben die Beine
unter ihr nach, wurde es schwarz um sie vor all den Tränen,
die sie nicht hatte weinen können. Hana lag auf den Knien und
schrie sich den Schmerz und den Gram vom Leibe, doch wo er herkam,
war nur immer noch mehr, als gebe es keinen Anfang und kein Ende.
Wie eine Frau, die von Sinnen ist, konnte Hana nichts anderes mehr
tun als weinen - so viel wollte sie noch tun, sie wollte Gerrats
kalte Hand halten, Gerrats kalte Wangen kosen, Gerrats kalte Lippen
küssen, und still, schweigend für immer Abschied von ihm
nehmen: Sie konnte es nicht.
Die andere Frau nahm sie wortlos in den Arm und tröstete sie,
still, geduldig und selbstverständlich. Hana fragte nicht, wo
sie so plötzlich herkam oder wer sie war, sie ließ sich
nur halten und trank diese ruhige Wärme, bis die Schluchzer
langsam in ihr erstarben und der Atem zu ihr zurückkehrte.
Dann straffte sie sich und richtete sich wieder auf - aus den
Fenstern fühlte sie sich beobachtet, die Freifrau sah ihr zu,
und obwohl es Hana nichts ausmachte, in diesem Moment Schwäche
zu zeigen vor jedem anderen, ging es nicht. Und mußte es
nicht mehr - was hinaus wollte, war hinaus, und alles andere machte
Gerrat nicht wieder lebendig. Hana mußte und wollte immer
stark sein, aber nicht für diesen Moment.
»Danke«, sagte sie dann zu der Frau. Wer immer sie
war, es tat gut, daß sie da war - bei niemandem hatte Hana
sich in den vergangenen Wochen so geborgen gefühlt. Die Frau
war klein und hager, mit grauem Haar und einem einfachen, formlosen
grauen Kleid - keine Kriegerin und erst recht niemand, der zum Hof
gehörte. Hana hatte sie noch nie zuvor gesehen. Sie
mußte mit der Leiche gekommen sein. »Wer seid
Ihr?« fragte Hana, und als die Frau nicht antwortete und sie
nur still aus großen grauen Augen anblickte, gab sie sich
gleich selbst die Antwort. »Ihr seid eine
Totenmagd?«
Hana war noch nie einer Totenmagd begegnet. Vielleicht, als ihre
Mutter starb, aber daran erinnerte sie sich nicht. Und an solchen
Trost hätte sie sich erinnert. Es gab Totenmägde in den
großen Städten, aber nicht auf dem Land, nicht in jedem
Dorf - aber daß eine Totenmagd bei Gerrat war, noch jetzt,
Wochen nach seinem Tod - daß sie Trost spendete - und
daß sie immer noch kein Wort sagte… Hana wußte,
daß Totenmägde an der Seite der Toten schwiegen, aber
wochenlang kein Wort zu sprechen, Tag und Nacht, nicht ein Wort -
und dabei hatte diese Frau Gerrat nicht einmal gekannt - und was
konnte Hana selbst für Gerrat tun? Nichts. Gar nichts. Und
erst recht nicht für sich selbst.
»Hm«, schnaubte die Freifrau, als Hana ihr mehr aus
Verlegenheit und Höflichkeit von ihren Überlegungen
erzählte, denn mit irgend jemandem mußte sie
schließlich reden, und die Freifrau wollte ihr nicht mehr von
der Seite weichen, erst recht nicht mehr nach Eintreffen der
Leiche. Und mit der Totenmagd konnte sie nicht reden. »Hm,
natürlich ist eine Totenmagd dabei. Was denkst du dir denn?
Erwartest du immer noch, daß er einfach verscharrt wird? Er
mag ja vielleicht dir gegenüber getan haben, als wäre er
ein niedriggeborenes Ding wie du, aber er ist immer noch ein
Engelsgeborener, er gehört hier bestattet, in der Gruft, neben
seinen Ahnen.«
»Und das macht die Totenmagd?« fragte Hana - es war
immer noch eine seltsame Vorstellung, daß eine Frau diesen
ganzen Weg zurücklegen sollte für einen einzigen Mann,
wenn sie doch im Krieg gebraucht wurde. Die Totenmägde
gehörten nicht den Engelsgeborenen, und im Krieg starben jeden
Tag so viele Männer, hatten die etwa niemanden verdient, der
an ihrer Seite schwieg? Konnte man keine Totenmagd aus Caer Diuree
nehmen?
»Die Totenmagd«, sagte die Freifrau so langsam, als
spräche sie mit einem Kleinkind oder jemandem, der nicht bei
Verstand war, »die Totenmagd sorgt dafür, daß er
auch da liegen bleibt. Engelsgeborene Körper sind zu kostbar,
nicht nur, um Lösegeld zu erpressen.«
Hana hatte wieder Gerrats Körper vor Augen, wie er war, als
er lebte - sein schönes Gesicht, seine makellose Haut - und
wie er nun war, da er nicht zerfallen wollte wie andere
Tote… Sie hatte nie glauben mögen, daß an den
Engelsgeborenen etwas Wahres dran war, daß sie anders waren
als normale Menschen: Gerrat hatte sich wie einer verhalten, und
seine Brüder und Schwester ebenso. Aber vielleicht… Und
plötzlich wurde Hana wieder schlecht, begann sie sich vor
ihrem eigenen Kind zu fürchten. Ihr Kind war ebenfalls
engelsblütig - engelsgeboren wollte sie es nicht
nennen, nicht bevor es auf der Welt war, und gebären
würde sie es immer noch selbst. Engel her, Engel hin - aber
die Vorstellung, daß es am Ende ein noch fremderes Wesen sein
sollte, als es ohnehin schon war, erschreckte sie.
Hana blieb mit ihren Gedanken allein, und in ihren
Gedanken. Sie konnte sich mit niemandem teilen - am Ende saß
sie allein in der Nacht mit dem Falken auf der Hand und weinte. Der
Falke schlief, und selbst wenn nicht, er gab keine Antworten. Es
war nicht mehr wie früher, als sie nur einander hatten. Der
Falke und sie waren einander fremd geworden; während seiner
Ausbildung hatte Hana jeden Tag mit dem Vogel verbracht, aber dann
war Gerrat in ihr Leben getreten und der Falke in den Hintergrund,
und der königliche Falkner hatte die tägliche Versorgung
übernommen - und ebenso wie Hana beinahe irgend eine Frau
geworden war, war der Falke beinahe nur noch irgend ein Falke. Aber
er kannte sie noch, und er schlief auf ihrer Hand, und sie konnte
mit ihm sprechen. Es war gut. Es war der Abend nach Gerrats
Beisetzung. Sie würde ihn niemals wiedersehen.
Schrecklicher als der Anblick des Toten selbst war der Anblick der
Gruft, in der er nun lag. Ein erdrückendes Gemäuer, tief
unter der Burg, beinahe schon im Abgrund selbst, so tief
führte die Treppe hinunter, und je tiefer es ging, desto
näher rückte der Winter. Es war kalt und feucht dort
unten, es war dunkel, und es roch nach Schnee - beängstigender
als der Geruch nach Moder, Tod oder Verwesung, weil es so fremd war
an einem Ort wie diesem. Die Kälte kroch ihr in die Knochen
und wollte dort bleiben bis es wieder Frühling war oder
zumindest bis die warme warme Sonne wieder auf sie schien. Unten
gab es kein Licht bis auf die Fackeln, die sie mitgebracht hatten
und die an der niedrigen Trommeldecke ihre rußigen Spuren
hinterließen. In ihrem Schein wirkten die steinernen
Särge wie eine endlose Reihe wartender Gräber. Wie viele
von ihnen noch leer waren und in wie vielen schon jemand lag,
Gerrats stille Ahnen, Sarg an Sarg, Seite an Seite, und mehr von
ihnen waren wie Gerrat in einem Krieg gestorben als in ihrem Bett.
Die groben Ketten, die den Sarg für alle Zeiten verschlossen
hielten, wirkten abschreckend und bedrohlich, aber noch
bedrohlicher waren die Särge im Dunkel, die Ketten haben
mochten oder nicht. Es war kein Ort, den man gerne besuchte, nicht
einmal, um sich zu erinnern. Es gab Orte, um Gerrats zu gedenken,
aber sie lagen alle über der Erde.
Hana wollte fort, als sie Gerrat in die steinerne Kiste legten wie
eine schlaffe Puppe, und als die Totenmagd ein graues Tuch
über sein Gesicht zog, das im Fackelschein ebenso hätte
schwarz sein mögen oder rot, es gab hier keine Farben, ebenso
wenig wie Licht und Leben. Hana wollte fort, sie war froh,
daß sie weit hinten stand und nicht vorne am Sarg, als sie
die schwere Platte wieder darüber schoben. Fehlte nur noch der
Schmied, damit er auch Gerrats Sarg in Eisen legte, daß
nichts mehr hinauskommen sollte und nichts hinein… Vorne, da
standen der König und seine Söhne, die zwei, die mit ihm
lebend aus dem Krieg gekommen waren, um dem Toten die letzte Ehre
zu erweisen. Erst hatte Hana gedacht, daß sie mit dem
Leichenwagen geritten waren, denn sie tauchten kurz danach am Hof
auf, doch so lang wollten sie den Krieg wohl nicht allein lassen:
Sie kamen auf schnellen Pferden und hatten noch zwei Wochen oder
mehr weiter gekämpft, bevor sie sich auf den Weg in die Heimat
machten. Hana blickte sie nicht an, ebensowenig wie einer von ihnen
Hana anblickte oder gar ein Wort an sie richtete. Sie waren nicht
glücklich über Hanas Anwesenheit, mehr noch, über
Hanas Existenz. Aber gehen lassen - gehen lassen würde man sie
nicht, auch nicht, als es vorbei war, als die letzte Ansprache
gehalten war und die letzte Fackel verloschen, als sie aus dem
dunklen Keller traten in eine Welt, in der die Sonne längst
untergegangen war.
Dann erst kam der König zu Hana, aber nicht, damit sie ihren
Kummer teilen konnten. Der König hatte die Trauer hinter sich,
er hatte Zeit dafür gehabt im Krieg und in der Zeit, als sie
dem Leichenzug folgten. Nun war er nur noch der harte Mann, der er
zuvor schon war.
Erst klang er noch freundlich und versöhnlich.
»Kind«, sagte er - so nannte er sie meistens, wenn er
mit ihr redete: Wie auch die Freifrau schien er zu glauben,
daß Hana weder einen Namen brauchte, noch eine erwachsene
Frau war - »das wird jetzt nicht leicht für
uns.«
Hana machte den Fehler zu glauben, daß sie selbst in diesem
‘uns’ enthalten war, nickte, und ließ den
König weiterreden.
»Du sollst wissen, daß ich dich gern als meine Tochter
gesehen hätte. Ich wollte immer, daß meine Söhne
mal aus Liebe heiraten, sollen nicht so enden wie ich, mich hat nie
jemand gefragt, ob ich dieses Ungeheuer heiraten
will…« Offenbar war die Beisetzung die erste Begegnung
seit Jahren zwischen dem König und der Freifrau. Und ebenso
offensichtlich hatte der König getrunken.
Hana blieb still und sagte nichts. Wenn der König einmal
anfing, über seine frühere Gemahlin zu poltern,
hörte er am schnellsten dann wieder damit auf, wenn niemand
darauf einging. Aber solche Worte waren unangebracht an einem Tag
wie diesem, und insgeheim hoffte Hana, daß die Freifrau
selbst dem König den Kopf dafür zurechtrücken
würde. Doch es war nicht an ihr.
Da änderte der König auch schon das Thema. »Aber
wenn es nach mir gegangen wäre, hättet ihr schon
längst geheiratet. Was müßt ihr noch lange warten,
bis du so schwanger bist, daß man es auf hundert Schritt
sehen kann und sich alle das Maul zerreißen?« Jetzt
wurde er lauter. »Wirklich, mir ist egal, was die Leute
reden, ich bin König, ich habe das letzte Wort, aber ich habe
auch gesagt, ihr sollt heiraten! Und wenn du dich nicht so geziert
hättest - ja schau mich nicht so an, ich weiß, daß
es deine Schuld ist! Gerrat hätte dich vom Fleck weg
geheiratet, so vernarrt war er in dich - nicht, daß du es
verdient hättest! Das haben wir jetzt davon, müssen uns
überlegen, was wir mit dir machen, und glaub ja nicht,
daß wir nicht Besseres zu tun hätten…«
Er meint es nicht so, versuchte Hana den König noch zu
entschuldigen. Er hat gerade seinen Sohn begraben, er ist
aufgebracht, nicht mehr ganz nüchtern… Aber in
Wirklichkeit hätte sie ihn am liebsten geohrfeigt, und wenn er
zehnmal König war. Sie tat es nicht, um Gerrats Willen. Obwohl
es sicher nicht immer einfach war mit ihm, hatte Gerrat doch sehr
an seinem Vater gehangen. Hana verstand nicht, warum, aber sie
schwieg, Gerrat zuliebe.
»Ihr müßt Euch nicht um mein Schicksal
sorgen«, sagte sie leise, als die das Gefühl hatte, der
König könne sich langsam wieder abgekühlt haben.
»Ich gehe fort, und Ihr werdet nie mehr Scherereien haben mit
mir.« Es stimmte, es war ihre eigene Schuld, daß sie
noch nicht verheiratet war. Sie wollte nichts
überstürzen; verlobt zu sein war eine Sache, aber gleich
verheiratet… Hana wollte Bedenkzeit. Hana wollte noch Nein
sagen dürfen. Und die Konsequenzen daraus sollten ihre eigenen
Probleme sein, nicht die von anderen Leuten. Verlobt - verwitwet -
für sie machte es keinen Unterschied mehr. Gerrat war fort, so
oder so.
»Das hättest du wohl gern!« dröhnte der
König, daß es laut durch die Nacht hallte. »Dich
einfach so davonstehlen, das hätte ich mir ja denken
können! Damit sich am Ende herausstellt, daß dein
Bankert von sonstwem ist und nicht von Gerrat! Was meinst du wohl,
Gerrat hat noch Glück gehabt, daß ihm das erspart
bleibt…«
Bebend vor Wut fuhr Hana den König an. »Ihr geht zu
weit! Ihr geht zu weit, und Ihr werdet Euch dafür
entschuldigen, und wenn nicht bei mir, dann bei Eurem toten Sohn
-« Sie versuchte sich zu beruhigen, wollte nicht schreien,
wollte nicht heulen - an jedem anderen Tag hätte sie ihrem
Zorn freien Lauf gelassen, aber jetzt durfte sie das nicht, wenn
sie nicht alles noch schlimmer machen wollte. Der König war
nicht auf Frieden aus.
»So, jetzt bist du also tugendhaft!« schnaubte er.
»Stünde dir ja gut an, wollen wir hoffen, daß es
auch stimmt - ich will nichts mehr davon hören, Gerrat
hätte besseres verdient als dich, aber ich weiß es
besser, als mich mit dir herumzuschlagen… Du wirst diese
Burg nicht verlassen, bis wir über deine Zukunft entschieden
haben.«
»Wie wollt Ihr mich aufhalten?« fragte Hana scharf.
»Wollt Ihr mich anbinden?«
»Wenn du uns keine andere Wahl läßt, müssen
wir dich festsetzen.« Der König scherzte nicht. Sie
scherzten beide nicht. »Und wenn du versuchst du verschwinden
- wir finden dich, wir holen dich zurück. Bedank dich bei dir
selbst, du hättest ja nicht schwanger werden
müssen.«
Hana seufzte. Sie würde am anderen Tag aus der Burg
verschwinden, aber das behielt sie für sich - jetzt
wußte sie, woran sie war. »Es ist mein Leben, nicht
Eures«, entgegnete sie immer noch kämpferisch.
»Entscheidet das nicht ohne mich.«
Der König lachte bitter. »Ich entscheide das nicht ohne
meine Söhne. Und auf den einen wirst du warten müssen,
mein nichtsnutziger Zweitgeborener treibt sich ja lieber noch
herum, als seinem Bruder die letzte Ehre zu erweisen - aber wir
finden eine Lösung für dich, und selbst wenn du es nicht
wert bist, ich verspreche dir, es wird das Beste für dich
sein…«
Hana widersprach nicht mehr und wartete nur noch, bis der
König zuende geredet hatte und ging, um mit seinen Söhnen
weiter die Trauer zu feiern und auf den Ältesten zu trinken.
Hana blieb allein, erst mit sich selbst und dann mit ihrem Falken,
mit der Nacht und mit ihrer Trauer. Sie blieb lange wach, und die
Dämmerung war nicht mehr fern, als sie endlich den Falken
zurück brachte in seinen Käfig und sich selbst
zurückzog auf ihr Gemach.
Aber sie wäre besser noch in jener Nacht aufgebrochen. Denn
als sie am anderen Vormittag aufstand, fand sie ihre Zimmertür
verschlossen. Die Burg wollte sie nicht mehr gehen
lassen.
Von da an lebte Hana
endgültig als Gefangene auf der Burg. Es war wie in einem
schlechten Traum - einem völlig verdrehten schlechtem Traum,
in dem eine Wache vor der Tür einer schwangeren Frau stand, um
mit einem Schwert dafür zu sorgen, daß sie nicht entkam.
Meinten sie das ernst? Sollte man sie niederstrecken, wenn sie auch
nur einen Schritt zuviel tat? Wenn man ihr das früher so
erzählt hätte, nicht einmal, daß sie dieses
Schicksal erwartete, sondern irgend eine Frau - Hana hätte es
nicht geglaubt. Sie war nicht bewaffnet, nicht gefährlich, und
wurde dieser Mann nicht anderswo gebraucht? Aber da stand er vor
ihrer Tür, grimmig und geduldig, und so wütend Hana auch
sein mochte, sie hatte plötzlich wenig Lust, es darauf
ankommen zu lassen. War Doubladir ein Land, in dem Wachen eine
schwangere Frau niederstreckten?
Aber es half nichts, ob Hana sich auch darüber aufregte oder
resigniert den Kopf hängen ließ, sie saß als
Gefangene in ihrem Zimmer und konnte nichts dagegen unternehmen.
Und daß sie einmal die Freifrau als willkommene Gesellschaft
angesehen hätte, auch damit hätte sie nie gerechnet.
»So, und jetzt verstehst du, warum ich da bin«, sagte
die Frau - so resolut sie auch sein mochte, sie konnte keinen
Einfluß darauf nehmen, daß Hana freigelassen wurde,
wenn sie es denn überhaupt versuchte. »Nicht, daß
du es verdient hättest, aber ich kann und werde keine Frau mit
dem Mannsvolk aus meiner Familie allein lassen, und erst recht
nicht mit dem Vater meiner Söhne.« Sie seufzte.
»Hättest du nur ein bißchen besser
aufgepaßt, wär uns das alles erspart geblieben.«
Ihr Leben konnte nicht viel angenehmer sein als Hanas -
außer, daß sie sich frei bewegen durfte - aber sie
wurde am Hofe wie ein Eindringling behandelt, jetzt wo der Herr des
Hauses wieder da war, und die einzige Person, die sie noch
herumkommandieren konnte, war Hana. Aber sie wirkte grau und
eingefallen, und wann immer Hana sie sah, schien sie noch kleiner
geworden zu sein.
»Wie lange, denkt Ihr, werde ich noch warten
müssen?« fragte Hana. Das fragte sie jeden, die
Freifrau, die Wache vor der Tür, sich selbst… niemand
konnte ihr eine vernünftige Antwort darauf geben.
»So lange, wie Dannen braucht, seinen faulen Hintern
hierherzuschleppen«, antwortete die Freifrau wenig damenhaft.
»Und glaub mir, Kind, ich hätte auch lieber, wenn das
heute wäre statt morgen. Die Männer wollen zurück in
den Krieg, sie geben dir die Schuld daran, daß sie noch nicht
wieder dorthin zurück können - das ist das einzige,
für das ich dir wirklich dankbar bin, solange sie hier
herumsitzen, wird zumindest nicht noch einer von meinen Söhnen
in Stücke gehauen. Aber niemand weiß, wie lange Dannen
braucht, bis er hier ist. Und dann gibt es sicher immer noch viel
zu bereden, ehe du wieder einen Fuß vor die Tür setzen
kannst.«
»Nein!« rief Hana heftig. »Das könnt Ihr
nicht zulassen! Ich muß selbst dabeisein, wenn über
meine Zukunft entschieden wird, ich lasse nicht irgend jemand
anderen darüber entscheiden!« Sie hatten diese
Diskussion zu oft, und jedesmal wurde Hana lauter dabei.
»Fürs erste solltest du dankbar sein, daß ich
dabeisitzen werde«, erwiderte die Freifrau. »Und wenn
du Glück hast, kann auch Leota zu deinen Gunsten sprechen - da
werde ich dir aber nichts versprechen, denn als ich meine Tochter
das letzte Mal sah, war sie noch eine Frau, ich habe keine Ahnung,
was mein feiner Herr Gemahl und der Krieg aus ihr gemacht
haben.«
Und das war noch die tröstlichste Aussicht, mit der sich Hana
die Zeit vertreiben durfte - und mit der Aussicht, daß
ausgerechnet die Männer, die sie am meisten verabscheute, den
Schlüssel zu ihrem weiteren Schicksal in der Hand hielten. Der
König, und Dannen. Was die anderen Söhne sagen mochten,
was irrelevant, sie hatten bislang nichts brauchbares gesagt und
würden das auch weiter nicht; keiner von ihnen kam, um Hana zu
fragen, wie es ihr ging oder dem Kind, oder was sie wollte - sie
interessierten sich nicht für Hana, und das war noch das
beste, was man über die beiden sagen konnte. Der König,
der war eine Sache für sich, aber was Hana am meisten
erzürnte, war der Anteil, den Dannen daran spielen sollte.
Als sie den Zweitgeborenen, der jetzt ausgerechnet Thronfolger
sein sollte, kennenlernte, da hielt sie ihn noch für einen
etwas unbeholfenen, linkischen jungen Mann, nicht einmal
unsympathisch; einer, mit dem man ein paar Worte wechseln konnte,
und damit hatte es sich eigentlich auch schon. Hana mußte ihm
dankbar sein, denn er hatte sie beim Wildern in seinen
Ländereien erwischt und alles Gesetz auf seiner Seite, sie
davonzujagen, den Falken zu beschlagnahmen oder Schlimmeres. Er tat
es nicht, vielleicht weil ihm seine Ländereien egal waren, er
vielleicht auch, weil ihm Hana gefiel - es war eine Menge wert, ihn
ein wenig näher kennenzulernen, wollte sie jemals als
Falknerin hinaus aus ihrer Waldhütte und mehr als einen Vogel
hüten. Daß sie über ihn Gerrat kennenlernte, war
ein Glücksgriff. Aber was danach kam, war unschön.
Jedesmal, wenn sie Dannen traf, kam ein wenig mehr von seinem
wahren Gesicht zum Vorschein. Dannen war launisch und
eigenbrötlerisch, er fraß seine Wut in sich hinein, war
offensichtlich der Ansicht, daß Hana ihm zugestanden
hätte und nicht Gerrat, als ob er jemals auch nur den Hauch
einer Chance gehabt hätte! Und alles, was er machte, war nach
innen gerichtet, daß man nur warten konnte auf den Tag, an
dem das alles mit Gewalt aus ihm hinausbrechen würde.
Selbstverliebt und kindisch konnte er ruhig sein, das waren viele
Männer und vielleicht alle, aber Dannen erschien Hana wie die
Art von Kerl, der eine Frau schlagen würde. Sie wollte ihn
nicht in ihrer Nähe haben, nicht wenn er schmollte und
grummelte, aber vor allem nicht in dem Moment, in dem er alle
Masken fallen ließ und das, was sich in zwanzig Jahren in ihm
aufgestaut hatte, hinausbrechen würde wie ein wütendes
Tier.
Und ausgerechnet dieser Mann hielt nun Hanas Leben in der Hand!
Sie wußte nicht, ob sie lachen oder weinen sollte, seine
Ankunft herbeisehnen oder fürchten. Tief in ihrem Innersten
fühlte sie, daß seine Entscheidung schlimmer für
sie ausfallen konnte als dieser Stubenarrest.
Vielleicht, wenn sie eine Gelegenheit bekommen konnte, vorher noch
mit ihm zu sprechen - nicht, daß sie darauf erpicht war, aber
vielleicht konnte man so das übelste vermeiden - und ihn dazu
bringen, sie einfach laufen zu lassen, mit ein paar schönen
Augen vielleicht… Aber Hana war nicht nach schönen
Augen zumute, nicht für Dannen und auch sonst für keinen
Mann, und sie ahnte, daß je mehr Dannen davon zu sehen
bekommen würde, desto unwahrscheinlicher war es, daß er
sie dann einfach so ziehen ließ. Und so wartete sie einfach
nur, fühlte wie die Zeit verging, bis sie nicht mehr sagen
konnte, wieviele Tage vergangen waren und wieviele Wochen, seit sie
von Gerrats Tod erfahren hatte, fühlte, wie das Kind in ihr
lebte und heranwuchs, und fühlte, wie sie selbst immer weniger
wurde dabei, bis endlich der Tag eintraf, an dem Dannen mit seinem
Gefolge in der Burg ankam.
Hana wußte nichts genaues, und egal wie weit sie versuchte,
den Kopf aus dem Fenster zu strecken oder wie fest an der Tür
zu lauschen, sie erfuhr keine Details über Dannens Ankunft -
sie wußte ja nicht einmal, warum er mit Leota überhaupt
aufgebrochen war, denn obwohl Hana die Königstochter ohne
allzu langes Zögern als ihre Freundin bezeichnet hätte,
hatte die doch nichts darüber verraten, worum es ging. Nur,
daß der König sie fort schickte und sie tausendmal
lieber mit ihm und den Brüdern in den Krieg gezogen wäre.
Hana konnte sie nicht verstehen, alles erschien ihr besser als der
Krieg, aber so war es nunmal mit Leota, die mit dem Schwert in der
Hand aufgewachsen war…
Hana blieb also nichts anderes übrig, als die Dienerinnen zu
belauschen, die kamen, um ihr das Bett zu richten, frisches
Waschwasser zu bringen und, was wohl das wichtigste von allem war,
ihren Nachttopf, der hier drinnen genauso ein Tagtopf war, zu
leeren. Man konnte mit den Dienerinnen nicht reden, sie taten
immerzu so, als ob Hana gar nicht da war, aber gerade darum konnte
man sie umso besser abhören, wenn es irgend etwas neues gab -
mit gebührender Verzögerung und dem Wissen, daß nur
noch die Hälfte davon wahr war, bis es bei den
Dienstmädchen ankam.
»Sie sollen ja Gefangene gemacht haben«, sagte die
eine. »Zwei Männer, die haben sie in Eisen gelegt, und
jetzt sitzen sie im Kerker!«
»Da hab ich aber was ganz was anderes gehört«,
entgegnete die andere. »Der eine, der soll nämlich der
Bräutigam sein für unsere Königstochter - ich hab
ihn ja nicht selbst gesehen, aber die Mairi, die stand wohl am
Fenster, als sie die hereingeführt haben, und sie sagt, so
einen schönen Kerl hat sie ihr Lebtag noch nicht gesehen, und
schöne Kerle haben wir hier ja eigentlich zuhauf mit unseren
Engelsgeborenen!«
»Ja, und der andere? Das waren doch zwei!«
»Wird wohl dem sein Diener sein«, entgegnete das
Mädchen gleichmütig. »Denk dir mal, wenn das ein
fremdländischer Prinz ist, der wird doch wohl noch einen
Diener brauchen.«
»Ja, wenn wir dem nicht gut genug sind…« Und
mehr war nicht mehr zu hören, denn die beiden hatten ihre
Arbeit getan und huschten wieder davon. Sie ließ der
Schwertmann an der Tür passieren - wenn er denn noch da stand.
Hana hatte längst aufgegeben, mit ihm diskutieren zu wollen,
und da man in der Zwischenzeit einen Riegel an ihrer Tür
angebracht hatte, mochte der Mann wieder auf seinem gewohnten
Posten stehen. Hana zuckte die Schultern und begann ihr Haar zu
flechten. Sie hatte immer noch keine Ahnung, um was es bei alldem
ging und welches Mädchen nun recht hatte - aber sie wollte wie
eine erwachsene Frau aussehen, wenn man sie denn hinausließ,
und nicht wie ein flatterhaftes junges Ding mit losem Haar.
Sie gab nicht viel auf die Gerüchte. Und doch ertappte sie
sich dabei, sich diesen fremdländischen Prinzen vorzustellen,
den man vielleicht am Ende in Eisen gelegt und in den Kerker
geworfen hatte.
Die Zeit, die verging, bis Hana
endlich wieder etwas von der königlichen Familie hörte,
verging unerträglich langsam und mit viel Angst und Unruhe.
Hana knibbelte nervös an ihre Fingern herum, ging im Zimmer
auf und ab, und wann immer es vor ihrer Tür auch nur das
leiseste Geräusch gab, sprang sie auf, bereit, sich in den
Thronsaal führen zu lassen oder wo immer die Besprechung
stattfinden sollte, und zitterte bei der Vorstellung, daß sie
vielleicht schon längst zusammen saßen und sich
berieten, ohne daß sie selbst dabei sein durfte.
Wie lange sollte es denn noch dauern? Saß nicht der
König auf glühenden Kohlen, hatte die rasche Ankunft
seines Sohnes herbeigebetet, um endlich die Frage nach Hanas
Verbleib zu klären und dann weiterkämpfen zu können?
Worauf warteten sie denn? Aber tatsächlich dauerte es zwei
Tage, zwei lange Tage, in denen es dunkel wurde und wieder hell,
Tage, die Hana sich nicht einfach nur einbildete, Tage, an denen
nichts geschah und sie nichts erfuhr. Dann, endlich, am dritten
Tag, erschien die Freifrau wieder in Hanas Zimmer.
»So, Mädchen«, sagte sie. »Du kannst mit
mir kommen. Es war ein zähes Ringen, aber dann habe ich mich
doch durchsetzen können, daß du zumindest ein
Anhörungsrecht haben sollst.«
Fast hätte Hana die Frau in überschwänglicher
Begeisterung umarmt, doch dafür stand doch zuviel zwischen
ihnen, und wenn es Hanas inzwischen spürbar schwangerer Bauch
war. Sie fragte sich, ob dieses ‘zähe Ringen’ zwei
Tage lang gedauert hatte, und ob
‘Änhörungsrecht’ bedeutete, daß man sie
anhören würde, oder daß sie sich alles anhören
durfte. Aber in dem Moment brachte sie vor Aufregung keinen Ton
hervor. Ihr wurde schwindelig, daß sie sich mit der einen
Hand an den Kopf, mit der anderen an den Leib faßte und sich
erst einmal von der Freifrau aufs Bett setzen lassen mußte,
ehe sie einen kurzen Augenblick später in der Lage war, das
Zimmer mit ihr zu verlassen.
»Rechne nicht damit, daß du als freie Frau da wieder
raus kommst«, sagte die Freifrau mit ihrem üblichen
unnachgiebigen Ton. »Freu dich, wenn du am Leben bleibst. Es
sind schon Frauen für weniger gestorben. Aber das hättest
du dir überlegen können, ehe du mit meinem Sohn ins Bett
gestiegen bist. Wenn er es denn war…«
An diese Sprüche hatte sich Hana inzwischen gewöhnt, und
wenn sie es auch immer noch nicht gern hörte, widersprach sie
nicht mehr. Das konnte sie sich alles noch für nachher
aufsparen - und sie würde sich zu Wort melden, das wußte
sie, und wenn man sie hinterher an ihren Haaren aus dem Saal
schleifen würde, sie würde Gehör finden.
Und dann wurde sie tatsächlich in den königlichen
Besprechungssaal geführt. Hier versammelte der König
seine Generäle, hier wurden Kriege geplant und Provinzen
verschachert, er war viel zu groß für ein
Familientreffen, und viel zu groß war auch der Tisch, an dem
sie alle versammelt waren: Der König am Kopf, Dannen an seiner
rechten Seite - er sah seltsam falsch dort aus, es war immer
Gerrats Platz gewesen, und das spürte Hana jetzt noch, obwohl
sie niemals an einer solchen Beredung hatte teilnehmen dürfen
oder wollen. Aber so ähnlich sich Dannen und Gerrat auch sehen
mochten, vor allem jetzt, seit sich Dannen hatte einen Bart wachsen
lassen, das, was Hana an Gerrat geliebt hatte, fehlte im Gesicht
des Bruders. Da, wo immer Gerrats Lächeln saß, war bei
Dannen nur ein verstockter, trotziger Zug, und seine Augen waren
ohne Liebe, selbst nun, da sie Hana schamlos musterten. Auf der
anderen Seite des Tisches saß Jaro, blickte Hana wie
üblich nicht an, sondern auf die Tischkante - es waren nur ein
oder zwei Gelegenheiten gewesen, daß Hana sich mit dem
Jüngsten unterhalten hatte, und jedesmal hatte er das
Gefühl vermittelt, am liebsten wegrennen zu wollen. Er wirkte
am Hof noch deplatzierter als Hana, falls das möglich war,
vielleicht, weil er bei seiner Mutter aufgewachsen war. Und auch
Rul der Bastard fehlte nicht, er saß auf Jaros Seite,
mußte aber einen Platz Abstand halten, wenn er sich nicht
freiwillig dorthin gesetzt hatte. Das einzige Augenpaar am Tisch,
auf das Hana sich ernsthaft freute, gehörte Leota, die an
Dannens Seite saß und härter aussah, als Hana sie in
Erinnerung hatte - aber sie wußte ja auch nicht, was auf der
Reise der Geschwister geschehen war.
»Du wirst hier sitzen«, sagte die Freifrau und
führte Hana zu einem Platz am anderen Ende der Tafel, nicht
gegenüber des Königs, der Platz stand ihr nicht zu, aber
doch so weit von ihm entfernt, wie das nur irgend möglich war.
Vielleicht war es gut so. Hana konnte den König so
erzürnen, ohne daß er ihr gleich an die Gurgel gehen
oder das Schwert in den Körper stoßen konnte.
Sie fühlte immer noch Dannens Blick auf sich, so bohrend,
daß sie sich zwingen mußte, ihn zu erwidern - er zog
sie nicht mit Blicken aus, wie Männer es schon mal taten,
sondern er schnitt ihr mit seinen Augen das Kind aus dem Leib. Es
war so widerwärtig, daß Hana schlecht davon wurde, und
sie war froh, als sie saß und ihr Körper
größtenteils vom Tisch verdeckt wurde. Dann zählte
sie die Weinkrüge auf dem Tisch und war froh, als sie zu dem
Schluß kam, daß der König und seine Familie doch
wohl nüchtern waren, wie es der Tageszeit angemessen erschien.
Sie hatte schon befürchtet, von einem Haufen halbbetrunkener
Streithähne verschachert zu werden, aber bei allem Durst, den
die Königsfamilie sonst an den Tag legen mochten, waren sie
sich hier offenbar der Schwere der Situation bewußt und der
Bedeutung, die ein klarer Kopf für solche Entscheidungen
hatte. Hana war auch froh, daß kein solcher Kelch vor ihr
abgestellt wurde. Schon bei dem Gedanken an Wein wurde ihr
übel, und sie hatte auch nicht das Gefühl, daß es
ihrem Kind gut tun würde. Ihrem Kind - sie hatte die letzten
Tage damit verbringen können, sich mit dem Gedanken endlich
vertraut zu machen. Jetzt, wo sie vor die Richter ihrer Zukunft
trat, hatte sie nicht mehr das Gefühl, einen Fremdkörper
in sich zu tragen. Es war Gerrats Kind, und es war gut so.
»Und wo werdet Ihr sitzen?« fragte sie leise die
hinter ihr stehende Freifrau, doch die schnaubte nur.
»Ich mich setzen? Das kommt nicht in Frage. Ich kenne meinen
Platz an diesem Tisch, und den habe ich schon vor Jahren aufgegeben
- nun trage ich die Konsequenzen und stehe lieber.« Etwas,
das nah an ein Lächeln kam, umspielte ihre Züge.
»Zumindest heißt das, ich bin als erste an der Tür
- oder die erste, um eine verdiente Ohrfeige
auszuteilen.«
»Genug jetzt!« dröhnte der König vom
hinteren Ende des Raumes. Heute würde jeder brüllen
müssen, schon um beim Ohr des anderen anzukommen. »Wir
haben nicht den ganzen Tag Zeit und wichtigeres zu besprechen! Steh
auf, Mädchen!«
Hana, die sich gerade erst gesetzt hatte, seufzte bei sich und
stand auf, nicht zu hastig, damit ihr nicht noch einmal schlecht
wurde.
»Und jetzt dreh dich zur Seite!« befahl der
König.
Wieder gehorchte Hana. Wenn alle Welt sehen sollte, wie schwanger
sie nun war, bitte, aber ihr Kleid würde sie anlassen, egal
was diese Kerle sagten. Sie sah, wie Dannen an seinem Ende des
Tisches das Kinn in die Hand stützte und sich interessiert
vorbeugte - das konnte dem so gefallen! Hana beschloß,
daß sie genug gesehen hatten, und setzte sich wieder hin.
»Ich sehe«, sagte Dannen. »Nicht, daß ich
das nicht schon früher gewußt hätte, aber jetzt
wird es langsam wirklich offensichtlich. Es ist an der Zeit,
daß wir etwas tun.« Gefiel ihm das, dazusitzen als
nächster Thronanwärter und direkt nach dem König zu
sprechen? Hana fragte sich, ob er Gerrat vermißte oder ob er
nicht vielmehr mit Freude auf den Tod des Bruders reagiert hatte.
Nach allem, was Hana von den beiden mitbekommen hatte, konnten sie
sich nicht mehr besonders gut ausstehen - und Gerrats Tod konnte
das nur schwerlich geändert haben.
»Und was würdest du jetzt tun?« fragte der
König. »Oder ihr, Jaro, Rul, Leota?« Hana sah
Leota einen Moment lang das Gesicht verziehen, als sie nach dem
Bastard genannt wurde, aber so war nun mal die Reihenfolge - sie
war eben nur eine Frau.
Dannen legte den Kopf schief. »Es wird in diesem Land keine
Bastarde mehr geben«, sagte er leise, und seine Stimme klang
seltsam belegt, als er den Blick von Hana nahm und statt dessen
seinen Halbbruder geringschätzig musterte. »Das hast du
selbst versprochen, Vater. Willst du dein Versprechen jetzt bei der
ersten sich bietenden Gelegenheit brechen?«
Hana konnte nicht sehen, wie Rul auf diesen direkten Angriff
reagierte, er saß auf der gleichen Tischseite wie sie, aber
zumindest sagte er darauf nichts. Nur Leota ergriff das Wort und
ging ihren Bruder mit scharfer Stimme an. »Was willst du
damit sagen? Daß wir das Kind töten sollen?«
Dannen verzog den Mund zu dem abscheulichsten Lächeln, zu dem
er wohl fähig war. »Nach den Buchstaben des
Gesetzes«, sagte er, »ist es bereits zu spät, wenn
das Kind auch nur das Licht der Welt erblickt.«
Alles in Hana krampfte sich zusammen, und einen Augenblick lang
war es ihr, als würde sie das Kind jetzt, sofort, mitten im
Saal, gebären, aber es waren doch nur Schmerzen, keine Wehen.
Trotzdem, sie klappte in sich zusammen, eine Hand gegen ihren Bauch
gepreßt, und fühlte, wie alles sie anstarrte.
Alles drehte sich in ihr und um sie, bis sie von weither die
Stimme des Königs fragen hörte: »Ist das dein
Ernst, Dannen?«
»Nein«, antwortete Dannen schnell genug, daß
Hana wieder atmen konnte. »Ich sagte nur: Nach den Buchstaben
des Gesetzes. Die Gesetze habe ich nicht gemacht. Ich bin nicht der
König.«
»Und was willst du damit sagen?« fragte sein Vater
weiter.
Dannen schnaubte. »Ich will sagen, daß du schon wieder
großspurig etwas von dir gegeben hast, ohne dir jemals
Gedanken über die Konsequenzen zu machen.«
Langsam begann Hana zu verstehen, warum der König keine
freundlichen Worte gebrauchte, wenn er von seinem Zweitgeborenen
redete. Sie war selbst nie dabei gewesen, wenn die beiden
aufeinander trafen, aber wenn das immer so ablief… Nur
wußte sie jetzt gar nicht mehr, was sie denken sollte und was
erwarten - es ging hier nicht um einen alten Groll zwischen Vater
und Sohn, sondern immer noch um sie! Und so scherte sich Hana nicht
um Regeln und Protokoll, sondern ergriff kurzerhand das Wort, bevor
der König Dannen ohrfeigen konnte oder sie sonstwie vom Thema
abkamen. »Ich möchte etwas sagen.« Es wirkte,
einen Augenblick lang blickten alle zu ihr hin. »Ich werde
mich nicht von Euch ermorden lassen«, sagte sie laut in den
Raum hinein. »Und es kann kein Gesetz geben, das so etwas
vorschreiben würde - nicht, solange dieses Land von einem
Engel beherrscht wird, der einen jeden unrechtmäßigen
Todesfall persönlich ahndet!« Sie fühlte sich
zittern, während sie sprach, und hoffte, daß niemand es
vom anderen Ende der Tafel aus sehen konnte. Schnell setzte sie
sich wieder hin, hoffte, daß es Wut war, die sie zittern
ließ, und nicht Angst. Niemand würde sie umbringen, und
niemand ihr Kind -
»Was glaubst du, wer dieses Land regiert?« fragte der
König schroff und mit einem Unterton, den Hana für Hohn
hielt, »der Engel, oder ich?«
Hana erbleichte noch weiter und konnte nicht anders, als den
König anstarren. Es denken, war eine Sache, aber es
aussprechen -
Dannen lachte sie aus. »Wir sind hier unter uns, kein Grund,
Spielchen zu spielen. Wenn Vigilander Interesse daran hätte,
was hier vor sich geht, dann säße er in seiner ganzen
geflügelten Pracht auf dem Thron. Wir herrschen in seinem
Interesse - aber da wir ihn nicht fragen können, müssen
wir manchmal selbst entscheiden, was genau sein Interesse
wäre.«
»Aber es wäre niemals in seinem Interesse, eine
unschuldige Frau zu töten!« Wieder war es Leota, die
für Hana aufstand - aber solange nur sie das tat und niemand
auf sie hörte, war Hana nicht gerettet.
»Unschuldig? Wo ist sie denn unschuldig?« Hana mochte
Dannen nicht, aber sie hätte nie erwartet, daß er hier
in diesem Maße gegen sie argumentieren würde - was war
das, seine Rache? Wollte er sie tot sehen, zusammen mit seinem
Bruder? Das konnte er nicht, das durfte er nicht… Aber die
Wahrheit war, Hana hatte keine Ahnung, wie sie ihn einschätzen
sollte. »Wir leben in Zeiten, da sind Leute schon für
viel weniger gestorben! Es geht um nicht mehr und nicht weniger als
das Gesicht unseres Hauses - sollten wir das verlieren, verlieren
wir schnell auch alles andere - oder muß ich euch daran
erinnern, was in Koristan passiert ist?«
Hana wußte nicht, was in Koristan passiert war. Über
Politik sprach Gerrat nicht mit ihr, vielleicht glaubte er,
daß es sie nicht interessierte oder sie es nicht verstand,
und sie fragte nicht danach, froh, daß es noch eine Zeit gab,
in der nicht ihr ganzes Leben Politik war.
»Aber was ist -«, fing Rul an und verstummte wieder,
als Dannen ihm ein »Und du bist ganz still, Bastard!«
zuranzte.
»Das genügt jetzt, Dannen!« sagte er König.
»Ich habe gesagt, ich will deine Meinung hören, nicht,
daß ich als König zurücktrete und du von jetzt an
das Sagen hast! Es ist schlimm genug, daß du mir irgendwann
nachfolgen sollst, aber jetzt weiß ich wenigstens, was mich
dann erwartet, und was das Land.«
Dannen setzte ein sehr garstiges Lächeln auf. »Wenn du
ohne mich entscheiden könntest, hättest du das schon
längst getan, Vater. Aber du hast mich nach meiner Meinung
gefragt, und das ist es, was ich gesagt habe: Wenn du den
Buchstaben deines eigenen Gesetzes folgst, hast du keine andere
Wahl, als dieses arme hübsche Ding hinrichten zu lassen, oder
du mußt damit rechnen, daß sich dein eigenes Volk gegen
dich erhebt, weil es genug von der Herumgehurerei in Vigilanders
Haus hat.«
»Das ist keine Meinung!« dröhnte der König.
»Das ist nur Gesetzverdreherei! Was du denkst, will ich
wissen!«
»Was denkst du denn?« gab Dannen zurück.
Hana an ihrem Ende des Tisches wurde immer kleiner und
wünschte sich plötzlich, doch nicht bei diesem
schrecklichen Gespräch dabei sein zu müssen - war es
nicht besser, am Ende vor vollendete Tatsachen gestellt zu werden,
als hier zu sitzen und vor Entsetzen nicht zu wissen, was sie sagen
sollte, und alles mitanzuhören, wie man ihr Leben dem guten
Ruf eines Hauses opfern sollte! Sie konnte sich nur schützen,
indem sie versuchte, nichts von alldem zu glauben, oder sich
einzureden, daß sie da über eine andere Frau sprachen,
nicht über sie… Aber es half nichts. Hana hatte schon
viele bedrohliche Gelegenheiten erlebt in ihrem jungen, wilden
Leben, aber dies war der erste Moment, in dem sie Todesangst
verspürte. Es war nicht mehr in ihrer eigenen Hand, ihr Leben
zu retten. Der König trug sein Schwert mit sich, wie immer.
Wenn er beschloß, daß sie sterben sollte, dann
würde sie diesen Saal nicht mehr lebend verlassen.
Aber der König seufzte. »Glaubst du vielleicht, ich
will das Mädchen töten? Hätt sie gern zur
Schwiegertochter genommen, das weißt du, und ich will weder
sie umbringen noch ihr Kind. Aber wenn wir sie gehen lassen, und in
fünfzehn, zwanzig Jahren kommt ihr Sohn an und hat ein Heer
von Bauern hinter sich - das können wir nicht riskieren,
nicht, bevor wir nicht wissen, was es mit dem Burschen jetzt auf
sich hat. Ich sitze in einer Zwickmühle, was soll ich
machen?«
»Einkerkern?« sagte, ganz leise, mit immer noch
gesenktem Haupt, der junge Jaro. Ein schwacher Trost, immerhin
schrie er nicht nach ihrem Kopf - trotzdem fing Hana bei dem Wort
an zu weinen und wandte schnell den Blick ab, bevor jemand es sehen
konnte. Tot oder ein Leben im Kerker - da wollte Hana noch lieber
sterben, schon für ihr Kind. Sie konnte sich wenigstens an die
Freiheit erinnern, aber ein Kind, das kein anderes Leben kennen
sollte als das hinter Gitterstäben…
»Dann sterbe ich lieber!« Sie begriff nicht, daß
sie das tatsächlich sagte - leben wollte sie, leben und nichts
anderes, und das in Freiheit! - aber es brach einfach aus ihr
heraus.
»Dann setze ich diesem Unfug jetzt ein Ende«, sagte
Dannen und stand auf, schob seinen Stuhl an den Tisch, als wollte
er sich schon zum Gehen wenden. »Vater, du gestattest,
daß ich eine Entscheidung treffe?«
»Was willst du?« fragte der König.
Dannen nickte erst ihm zu, dann Hana, und das Widerwärtigste
war, daß er ihr dabei zuzwinkerte. »Es geht darum,
daß dieses Kind nicht als Bastard geboren werden darf«,
sagte er. »Vigilanders Haus kann egal sein, wer der Vater
ist, Hauptsache, die Frau ist zur Geburt ins Haus eingeheiratet. Da
ist es doch ganz einfach. Ich heirate Hana.« Er lächelte
ihr zu und konnte froh sein, daß Hana außerstande war,
über den ganzen Tisch zu spucken.
»Gut«, antwortete der König, stand auf und
klopfte Dannen auf den Rücken. »Natürlich, das
macht alles einfacher. Hätte die Idee auch selber haben
können, aber wirklich, ich habe schon mehr als genug eigene
Kinder.«
Hana saß wie versteinert. Freiheit. Sie wollte Freiheit. Die
Vorstellung, mit Dannen verheiratet sein zu müssen, war noch
schlimmer als der Kerker. Wenn sie nicht jetzt die Beine in die
Hand nahm und floh, solange sie noch laufen konnte, wenn sie ihre
Kleider zurück ließ und ihren Falken und sich heute noch
davonmachte, aus diesem Saal heraus gleichwegs hinaus in die Welt
-
Aber da war der König schon bei ihr, und bevor sie sich
wehren konnte, hatte er sie schon gepackt und an seine breitgebaute
Brust gedrückt. »So nenne ich dich jetzt zum zweiten Mal
Tochter!« Seine Stimme füllte Hanas ganzen Kopf,
daß ihr der Schädel dröhnte und sie nichts anderes
mehr denken konnte, geschweige denn fliehen. »Aber nochmal
riskiere ich nicht, daß du als ledige Witwe endest,
Mädchen! Dannen begleitet mich in wenigen Tagen zurück an
die Front, und von mir aus darfst du hoffen, daß er nicht
lebendig zurückkehrt, wir wissen ja beide, daß mir der
falsche Sohn gestorben ist - aber egal. Vorher wird
geheiratet.«
Und aus seinen Armen hinaus fiel Hana in Ohnmacht.
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