Sechstes Kapitel

Varyn zwinkerte. Etwas stimmte nicht, das wußte er genau, aber er konnte es an nichts festmachen… konnte sich nicht erinnern. Es war wie früher, wenn die Trugbilder kamen - zwei Wirklichkeiten, die sich überlappten, er war in beiden gleichzeitig, und darum waren beide falsch. In seinen Händen fühlte er das fremde Gewicht des Schwertes, doch wie es dort hin gekommen war, konnte er nicht sagen - eben noch kauerte er hinter seinem Schild, bereit, den nächsten Gegner abzuwehren - im nächsten Augenblick stand er völlig ungeschützt mitten im freien Feld und hielt ein Schwert in Händen, das sich warm anfühlte und gleichzeitig fremd und vertraut, und das dort nicht hingehörte.
Seinen Händen fiel es leichter zu glauben, was für den Kopf zu viel war. Der Schwertknauf lag in seiner Hand, als gehöre er dorthin, als habe Varyn seit Jahren mit diesem Schwert gekämpft, seit Jahrhunderten - erst einmal zuvor hatte Varyn ein Schwert in Händen gehalten, das der Hauptmanns, und es war vollkommen anders. Dieses Schwert fühlte sich an, als wär es für ihn gemacht, für diese Hände, die an den Speer nicht halb so gewöhnt waren wie an die Spitzhacke.
Immer noch verwirrt, versuchte Varyn sich umzusehen, aber alle Farben waren vertauscht, die Umrisse der Menschen weiß vor schwarzem Himmel, und Sterne schlugen ihre Funken, wenn er versuchte, irgend etwas genau zu erkennen. Das Licht des Blitzes hatte sich in Varyns Augen eingebrannt, obwohl er sich doch erinnern konnte, den Arm hochgenommen zu haben - dieses Licht war plötzlich überall dort, wo Varyn saß, es hüllt ihn ein, er konnte es sogar summen hören - das Licht und das Schwert und der Flicken in der Wirklichkeit, all das gehörte zusammen, aber Varyn konnte sich keinen Reim daraus machen.
Seine Knie begannen zu zittern, wollten unter ihm nachgeben, aber Varyn zwang sich, auf den Beinen zu bleiben. Er sah Menschen auf ihn zustürmen, schwarzweiße Schemen, die er nicht erkannte, Freunde, Feinde, er wußte es nicht, und es war ihm egal.
Wie von selbst schloß seine Hand sich fest um den Schwertgriff. Das Schwert war das einzig Wirkliche in diesem Moment, Varyn mußte es festhalten, oder er würde auch alles andere verlieren. Es war das Schwert der Königs, das war Varyn klar. Es war nicht seines, egal wie es sich anfühlen mochte, und das einzige, was noch zu tun blieb, war, es zurückgeben. Aber nur an den Richtigen.
Von weither kamen Stimmen an ihn heran, ein Brei aus Worten, die keinen Sinn für Varyn machten, und er versuchte auch nicht, sie zu verstehen. Bevor seine Augen wieder sehen konnten und seine Ohren aufhörten zu klingeln, konnte Varyn überhaupt nichts tun… Doch, eines sollte er, und zwar schleunigst: Sich in Sicherheit bringen. Denn das, wo er stand, war immer noch ein Schlachtfeld. Varyn stolperte nach hinten, oder zumindest dahin, wo er hinten wähnte, und hoffte, daß dort seine Einheit war und nicht Feinde. Jemand packte ihn beim Arm, irgend jemand.
Varyn riß das Schwert hoch, ohne nachzudenken. »Zurück!« rief er. »Zurück, alle!« Bevor er nicht wußte, woran er war, durfte er niemanden an sich ran lassen. Und das Schwert war immer noch ein Schwert.
Dann erkannte er Gavens Stimme, und langsam nahmen die Schemen um ihn herum Gestalt an, auch wenn sie immer noch weiße Umrisse waren wie umgekehrte Schatten, waren es zumindest Umrisse, die er kannte. »Varyn, verdammt! Nimm das Schwert runter!«
Varyn kniff die Augen zusammen, so fest er konnte, bis sie seinen Kopf mit Sternen füllten. Als er sie danach öffnete, sah er zumindest nur noch eine Wirklichkeit, und die Welt um ihn herum, die da langsam Gestalt annahm, war seltsam genug. Gaven war an seiner Seite und sah so aus wie immer, aber das war auch alles. Er sah Männer, die ihre schwarzen Rüstungen als königliche Reiter verrieten, aber sie saßen nicht mehr auf ihren Pferden, sondern waren abgestiegen, und sie hielten einen sicheren Abstand zu Varyn - kniend, mit gesenkten Häuptern, die rechte Hand auf der Brust. Die ganze Schlacht schien zu einem Stillstand gekommen zu sein, und die Welt bildete einen Kreis, in dessen Mittelpunkt Varyn stand.
»Komm schon, Varyn, sag ihnen, sie sollen wieder aufstehen, das ist nicht mehr lustig!« hörte er Gaven sagen, und dann sich selbst, als ob er keinen eigenen Willen mehr hatte: »Steht auf!«
Einer der Männer hob den Kopf, aber nur gerade so weit, daß Varyn seine angsterfüllten Augen sehen konnte. »Hoheit…«, murmelte er.
Varyn schüttelte den Kopf. »Seid vernünftig!« herrschte er den Mann an. »Das ist ein Schlachtfeld! Ihr könnt doch nicht einfach hier rumknien, darauf warten die Loringarim doch nur!« Aber in Wirklichkeit schienen die Loringarim auf ganz andere Dinge zu warten - sicher, ihr König war tot, niemand mehr da, um ihnen Befehle zu geben - aber sie hatten doch sicher Berater oder sonst jemanden, der bei Verstand war und auf die Idee kam, diese Situation auszunutzen. Es war nur eine Frage, wer die Starre zuerst abschüttelte. Varyn hatte keine Zeit, jetzt lange mit den Männern zu diskutieren. Wenn sie unbedingt vor dem königlichen Schwert knien wollten, dann sollten sie das tun, wo nicht tausende von feindlichen Soldaten in direkter Nähe standen und nur vorwärts stürmen mußten. Und es war einfacher und sinnvoller, ihnen jetzt einen Befehl zu geben, als ihnen lang und breit zu erklären, warum er ihnen überhaupt keine Befehle zu erteilen hatte.
»Bringt mir ein Pferd!« sagte er so fest er konnte und versuchte, irgendwie den Tonfall des Hauptmanns hinzubekommen. Überhaupt, der Hauptmann - den brauchte Varyn jetzt! Der würde wissen, was zu tun war. »Und dann bringt mich zu -« 'Hauptmann Mendrion', lag ihm schon auf der Zunge, aber im letzten Moment verbesserte er sich: »Fürst Dannen.« Wo immer Dannen war, er sollte wissen, daß sein Vater gerade gestorben war. Und vor allem sollte er das Schwert bekommen. Es stand ihm zu, und wenn hier irgendwer Befehle geben sollte, dann war es Dannen. Der wußte zwar noch nicht so lange, daß er der neue König werden sollte, aber zumindest hatte er ein bißchen Zeit gehabt, sich an den Gedanken zu gewöhnen.
»Jawohl, Hoheit!« sagte der Kniende, dann rief er nach hinten: »Schnell, bringt ein Pferd für seine Hoheit -«
»Und nennt mich nicht Hoheit!« fuhr Varyn ihn an und fuchtelte unwillkürlich mit dem Schwert dabei. »Das gilt für Euch alle! Dannen ist Euer neuer König, vor dem könnt ihr von mir aus knien - aber nicht vor mir!« Es hatte keinen Sinn. Sie schienen nicht daran interessiert zu sein, was er ihnen zu sagen hatte. Und warum versuchte keiner von ihnen auch nur, ihm das Schwert abzunehmen? Er war ein pisseliger Fußsoldat, die heilige Waffe gehörte ungefähr so sehr in seine Hand wie… wie er in das Schlafzimmer von Dannens Frau. Diese Männer waren nicht irgendwer, sie waren königliche Reiterei, es gab kaum etwas besseres, das man in diesem Krieg sein konnte, und trotzdem wußten sie nichts besseres, als sich vor ihm in den Dreck zu schmeißen?
Jemand brachte ein Pferd an, und dann erkannte Varyn das nächste Problem: Er hatte keine Ahnung, wie er da hinauf kommen sollte, solange er das Schwert festhielt, aber loslassen durfte er es auch nicht, wenn er das tat, kamen die Männer nachher wieder so sehr zu Sinnen, daß sie ihn für einen Verräter hielten, und da bevorzugte Varyn es doch, wenn sie Hoheit zu ihm sagten. Wenn er erstmal aus der Gefahrenzone war, konnte er alles aufklären. Bis dahin… »Gaven!« sagte Varyn. Die eine Person, der er vertrauen konnte, blind, was immer noch halb auf seine Augen zutraf, aber zumindest hatten die Menschen wieder Gesichter. Und Gaven war an seiner Seite. »Gaven, halt das Schwert, bitte.« Er mußte riskieren, daß selbst das den Zauber brechen würde, aber er wollte auf das Pferd, das ging vor.
Und Gaven reagierte ohne unnötige Ehrfurcht. »Ach, jetzt krieg ich es wieder?« fragte er nur und ließ Varyn sich wundern, was er damit meinte - wann hatte Gaven das Schwert denn schon einmal gehabt?
»Halt es nur fest, bis ich auf dem Pferd bin«, sagte Varyn. »Dann helf ich dir hoch.« Nicht zulassen, daß er irgendwo hingebracht wurde, und Gaven hier in der Schlacht blieb, daß ihm irgendwas zustieß! »Bringt meinem Bruder ein Pferd!« rief er laut, zum einen, weil Gaven ruhig ein eigenes Pferd haben konnte, und zum anderen, um auszuprobieren, ob es noch wirkte, ob sie ihm immer noch gehorchten…
Das zweite Pferd kam. Es waren genug Reiter in dem Gefecht ums Leben gekommen, daß genug Pferde für sie zwei übrig geblieben waren. Und sein eigenes Pferd zu reiten, sollte Gaven auch darüber hinwegtrösten, daß er jetzt Varyn das Schwert wieder zurückgeben mußte. Wie viell Zeit blieb ihnen noch, wegzukommen, bevor die Loringarim wieder angriffen?
»Bringt mich zu Fürst Dannen, schnell!« rief Varyn. »Und findet Hauptmann Mendrion, ich will ihn in meiner Nähe haben!« In der Menge suchte Varyn das eine Gesicht, das alles aufklären konnte. Aber er sah den Dämmervogel nirgendwo. Trotzdem, Varyn war nicht dumm, und je mehr er wieder zu Sinnen kam, desto klarer wurde ihm, daß die Schwestern aus Sharaz mit der ganzen Sache zu tun haben mußten und nicht nur ein kleines bißchen verwickelt waren. Varyn hätte fluchen mögen, doch das verschob er auf später. Erstmal mußte er dieses Schwert wieder loswerden, bevor die hier noch auf die Idee kamen, ihn am Ende zum König zu krönen - Dannen würde etwas dagegen haben, und nicht nur Dannen, auch Varyn selbst. Es gab Grenzen, wie weit das Schicksal gehen durfte. Und jetzt die Menschen glauben zu lassen, daß Varyn ihr rechtmäßiger Herrscher war, das ging zu weit. Der einzige, der hier den Verstand verlieren durfte, war Varyn.
Nur wie erklärte man das einem Stab von Generälen, dem nichts besseres einfiel, als ihm gleich die Treue zu schwören?
Es war ein seltsames Gefühl, den Reitern den Hügel hinauf zu folgen und die Schlacht einfach so hinter sich liegen zu lassen - Varyn fühlte sich fast wie ein Verräter, oder wieder wie ein Deserteur, weil er die Männer da unten ihrem Schicksal überließ und sich aus dem Staub machte, noch dazu mit dem Schwert des Königs an seiner Seite. Aber er hatte keine Wahl. In Koristan war die Krone erst verloren gegangen und dann in fremder Hand wieder aufgetaucht, und im Heerlager kursierten genug Gerüchte, daß der König von Loringaril sein heiliges Horn verloren hatte, ohne daß irgend jemand wußte, wo es sein konnte - natürlich lachte man drüber, jeder wußte, daß die Herrscher von Loringaril nicht richtig im Kopf waren, und da konnte man schon mal sein heiliges Horn verlegen - aber am Ende hatte man ja gesehen, wo es ihn hingeführt hatte: Er war nicht halb so stark gewesen, wie man von ihm sagte, und am Ende von seinem Erzfeind durchbohrt worden, tot, einfach so, ganz ohne Engelskraft…
Und jetzt war das Schwert in Varyns Hand, und egal was das Schicksal für Intrigen spinnen mochte, er würde dafür sorgen, daß Dannen die Waffe seiner Ahnen bekam. Nur Dannen persönlich, sonst würde er es keinem geben. Varyn traute den Generälen nicht, diese Männer waren zu mächtig, dafür daß sie nur im Krieg eine Funktion hatten, und wie es mit deren Treue zu Dannen bestimmt war, das sah man schon an ihrer Bereitschaft, vor Varyn niederzuknien. Wenn für die immer gerade der König war, der das Schwert hatte, dann ließ sich das schnell aus der Welt schaffen, nämlich mit dem Schwert in den richtigen Händen.
Ob Dannen einen guten König abgeben würde, davon hatte Varyn keine Ahnung. Er hatte keine Ahnung, was ein König zu tun hatte, außer im Krieg eine gute Figur zu machen und den Generälen zu sagen, wo sie als nächstes angreifen sollten. Aber im Tal merkte man nichts von dem, was irgendwo der König machte - bis er Mendrion und seine Männer geschickt hatte, merkte man nicht mal, daß der König von der Existenz des Tals überhaupt wußte. Und glaubte man dem, was Dannen unterwegs erzählt hatte, waren die Aufgaben eines Königs nichts, worauf er jetzt besonders wild war - trotzdem, er war in diese Familie hineingeboren worden, er hatte seinen Bruder überlebt, dann war es keine Frage, daß er jetzt das Schwert bekam. Das würde Varyn keinem der Generäle geben oder den Hauptmännern, auch nicht Mendrion, sonst rief sich am Ende noch einer von denen zum König aus. Und es reichte schon, daß sie in Koristan großes Durcheinander hatten und bestimmt in Loringaril jetzt Probleme bekommen würden - Varyn hatte sich nie Gedanken gemacht, ob er sein Heimatland liebte oder sein Königshaus, aber er wollte nicht, daß es im Chaos versank.
Nur die Strecke, die sie ritten, begann Varyn zu wundern. Daß sie sich erst einmal vom Schlachtfeld entfernten, konnte er ja noch verstehen, aber er hatte erwartet, daß sie einen Bogen reiten würden zu der Stelle, an der Dannen kämpfte. Varyn wußte nicht, was genau der tat - er hatte eine Einheit Reiterei, mehr hatte er nicht erzählt, und seit sich damals in der Hauptstadt die königliche Familie zu Pferd auf den Weg gemacht hatte und es für Mendrions Einheit zu Fuß hinterher ging, hatte Varyn auch nichts mehr von ihnen gehört, vom König abgesehen, der ja Mendrions Einheit für den Schutz seiner Bogenschützen abgestellt hatte. Oder um Varyn in seiner Nähe zu wissen - er konnte sich seinen Teil denken, aber fragen nicht mehr, der Mann war tot.
Hauptmann Mendrion war nicht bei den Männern, mit denen Varyn da ritt, das machte ihm Sorgen. Mendrion war der einzige Hauptmann, der ihn wirklich kannte, noch dazu ein Freund von Dannen, von dem zu erwarten war, oder zumindest zu hoffen, daß er ihn nicht hintergehen würde… und daß er nicht da war, war nicht gut.
»Wohin reiten wir?« fragte Varyn laut in die Luft hinein, daß ihm irgend jemand Antwort geben konnte, egal wer. »Ich sagte, bringt mich zu Fürst Dannen!« Aber entweder fühlte sich niemand angesprochen, oder sie hatten zu viel Ehrfurcht vor dem Schwert, um zu antworten. Varyn konnte sich nur zu Gaven umdrehen. »Das gefällt mir gar nicht«, sagte er leise.
Gaven biß die Lippen zusammen und sagte nichts. Erst dachte Varyn, daß er nur verstockt war und ärgerlich, daß Varyn das Schwert gefangen hatte, wo er doch selbst so sehr eines haben wollte und sich vielleicht vorstellte, daß sie das jetzt behalten konnten - aber in Wirklichkeit erforderte es Gavens ganze Aufmerksamkeit, das Pferd unter sich zu beherrschen. Es war ein Unterschied, ob er ein Tier, mit dem er sich inzwischen angefreundet hatte, sattelte und striegelte, oder ob er plötzlich allein auf einem mächtigen fremden Streitroß saß und es dazu bringen mußte, ihm zu gehorchen. Und nur von der Liebe zum Pferde wurde noch kein Mann ein Reiter.

Am Ende landeten sie dann genau da, wo sie aufgebrochen waren: Im Heerlager. Das beruhigte Varyn dann doch wieder ein wenig, denn es war gut möglich, daß sich auch Dannen hier einfinden würde, an einem Ort, den man nicht verfehlen konnte und um den es keine Missverständnisse gab. Varyn wußte nicht, an welchem Ende der Schlacht Dannen kämpfte, aber es war auf jeden Fall sinnvoll, wenn er sich nach dem Tod seines Vaters erstmal selbst aus der Schlacht zurückzog, man mußte ja nicht riskieren, daß auch noch der nächste in der Thronfolge starb.
»Jetzt lassen sie uns ins Allerheiligste«, flüsterte Varyn noch Gaven zu, um ihn ein wenig aufzumuntern, als sie das Zeltlager hinter sich ließen und tatsächlich die Wachen passierten, die vor dem eigentlichen Dorf standen. Die Männer im Zeltlager hatten immer die wildesten Ideen, was dort hinter dem Palisadenzaun vor sich gehen mochte, es wurde gemunkelt, daß sie dort richtiges Bier hatten und richtige Frauen und ein feines Leben führten, schließlich waren sie die Hauptmänner und Generäle, der König oder seine Kinder - während das einfache Fußvolk im Nassen und Zugigen schlief und Grütze aß. Vor allem die Anwesenheit von Frauen hätte man dem Führungsstab übel genommen, und Varyn saß dabei und schmunzelte und hätte ihnen sagen können, daß mit Leota wirklich zumindest eine Frau in dem Dorf lebte, aber das war es sicher nicht, was die Männer meinten…
Aber hinter dem Zaun lag dann doch nur ein vom Krieg gezeichnetes Dorf, mit Häusern, die mehr Bequemlichkeit boten als die Zelte, aber sicher nicht das waren, wovon es sich zu träumen lohnte. Sie ritten bis vor das größte der Häuser, es mochte mal ein Wirtshaus gewesen sein, und dann sprangen die Reiter von ihren Pferden, so eilig hatten sie es, daß sie keine drei Schritte mehr allein gehen konnten.
»He!« rief einer laut. »Nehmt uns die Pferde ab! Wir haben den Jungen!«
Es klang nicht gut. Varyn kam sich plötzlich vor wie ein Stück Kriegsbeute, er überlegte, ob es sinnvoll war, auf dem Pferd zu bleiben und schleunigst das Weite zu suchen, aber er hatte noch das Schwert zurückzugegeben, und was wunderte er sich? Eigentlich sollte er doch daran gewöhnt sein, nur 'der Junge' genannt zu werden. Er wartete, daß auch wirklich keiner mehr im Sattel saß, und saß dann selbst ab, mit einem gewagten Satz und dem Schwert hoch über dem Kopf - es ging besser, als mit nur einem Arm aufzusteigen. und schon hatte er wieder zwei Männer hinter sich - ob die bereit standen, um ihn aufzuhalten, wenn er türmen wollte? Und die Torwachen, waren die auch schon gewarnt? Varyn wußte nicht, wie viele Boten man hier hoch geschickt hatte, seit er das Schwert gefangen hatte, aber es schien sich zumindest niemand über ihn zu wundern.
»Geht da hinein«, sagte einer der Reiter zu ihm. »Keine Angst, es wird Euch nichts geschehen.«
Varyn nickte - sah er so leicht zu durchschauen aus? »Kommst du, Gaven?« fragte er leise.
Gaven zog eine Grimasse. »Traust du dich nicht ohne mich?« Seinen Tonfall konnte Varyn nicht einordnen, es klang ein wenig feindselig, aber es war noch etwas anderes darin, das er nicht verstand - Neid? Verzweiflung? Er war nicht in der Situation, nach so etwas zu fragen. »Oder glaubst du, Gaven freut sich, wenn er uns beide trifft?«
»Ich will dich nur in meiner Nähe haben«, gab Varyn zurück. Er hatte Angst, daß wenn sie getrennt wurden, das letzte Stück verloren ging, das ihn noch am Boden hielt, daß er sonst vielleicht Vergnügen daran fand, Männer vor sich knien zu sehen, daß er am Ende das Schwert behalten wollte - all das würde nicht passieren, wenn Gaven in der Nähe war. Aber er konnte ihm nicht sagen, wie unglaublich wichtig er für ihn war. Vielleicht war das das Problem.
Im Haus hatte man direkt im ersten großen Raum alles, was man an Tischen hatte, zu einer großen Fläche zusammen geschoben, und darauf lagen nun Karten. Es machte Varyn neugierig, unter normalen Umständen wäre er gleich hingelaufen, um sie sich anzusehen; er hatte viel von solche Karten gehört und noch nie eine gesehen, er wußte nicht, welche Form sein Land hatte und welche Form die Welt, und jemand, der eine solche Karte malen konnte, mußte ein sehr weiser Mensch sein - aber jetzt war er nicht wegen der Karten hier. Sondern wegen der Menschen.
Und Menschen gab es in dem Raum fast mehr als auf dem Schlachtfeld. Da waren die Reiter, die ihn herbegleitet hatten, und von denen einige so unsicher von einem Fuß auf den anderen trafen, daß schnell klar war, wie unwohl sie sich in dieser Situation fühlten und daß sie eigentlich nicht hergehörte. Da waren Gaven und Varyn, natürlich. Und da waren einige ältere, sehr wichtig und sehr grimmig dreinblickende Männer, von denen Varyn annahm, daß sie wohl die Generäle sein mußten, mit ihren graudurchwirkten Bärten mußten sie wohl im gleichen Alter sein wie der König, also bestimmt doppelt so alt wie Hauptmann Mendrion - und für einen sehr kurzen Augenblick fragte sich Varyn, ob der auch eines Tages so eine Rüstung tragen und so finster aussehen würde wie diese Männer, die ihm auf den ersten Blick nur Angst machten. Aber einen sah Varyn in diesem Raum nicht, und das war Dannen. Er kniff die Lippen zusammen und krampfte seine Hand noch fester um den Schwertgriff. Wenn die jetzt doch ihr Spiel mit ihm spielten…
»Ihr könnt jetzt gehen«, sagte einer der vermeintlichen Generäle mit einer Stimme, die so tief war, daß einem vom Zuhören schon der Magen rumpelte, aber er meinte damit nicht Varyn, sondern die Reiter. »Haltet euch bereit bis wir euch wieder brauchen.«
Dann ging ein Nicken durch den Raum, und als sie weg waren, schluckte Varyn nervös. Jetzt stand niemand mehr zwischen ihm und diesen Generälen. Und wenn die sich entschieden, ihm das Schwert einfach mit Gewalt abzunehmen… Angst vor einer echten Gefahr war etwas seltsames in Varyns Leben. Er kannte blinde Panik, die aus dem Nichts nach ihm griff und die man abschütteln konnte, weil sie nicht wirklich war. Er kannte die unbestimmte Angst vor den Dingen, die kommen würden, wenn er sie in einer seiner Visionen sah. Aber Angst vor jemandem, der direkt vor ihm stand, das kannte Varyn eigentlich noch nicht.
»Und jetzt zu dir«, sagte der Mann mit der rumpelnden Stimme. »Wer bist du? Und wer ist das?« Ein sehr kurzer Seitenblick streifte Gaven, kaum aufmerksamer als der, mit dem die Schwestern zu Sharaz ihn damals gemustert hatten und nicht minder geringschätzig. Ein vor Schmutz starrender waffenloser kleiner Bursche - so was hatte hier nichts zu suchen.
»Mein Bruder«, sagte Varyn so fest er konnte. »Und ich bin Varyn.«
»Varyn wer?«
Varyn zuckte die Schultern. Was sollte er schon sein, außer Varyn? »Varyn aus Elad Courblaka«, sagte er und versuchte sich an einem treuherzigen und etwas dämlichen Augenaufschlag. Er hatte es in der Hand. Wenn er jetzt sagte, daß er ein Engelsgeborener war und der persönliche Auserwählte des Schicksals, würden sie ihm vermutlich auch jedes Wort glauben. »Und wer seid Ihr?« Er versuchte seine Stimme heller und jünger klingen zu lassen, wenn er ihnen zu jung war, würden sie ihn als König nicht wollen, aber es gelang ihm nicht gut, das Heisere, was immer in seiner Stimme mitschwang, machte ihn sogar noch älter, als er eigentlich war.
»General Davor von Car Mentik«, sagte der Mann, und dann blickte er von einem zum anderen und sagte ihre Namen - natürlich, er hätte auch eine Hand nehmen können zum Zeigen, aber er stand so reglos wie aus Stein gehauen und sah nicht aus, als ob er irgend einen Knochen im Leib rühren würde, wenn er es nicht ausdrücklich wollte. »General Korant von Car Tolai. General Dernik von Car Eskobal. General Hayko von Car Serrin.« Den Namen des fünften Mannes nannte er nicht.
Varyn nickte bei jedem Namen etwas einfältig, fragte sich, ob er sich besser als ‘Varyn von Elad Courblaka’ vorgestellt hätte, wenn man das sonst so sagte, und ob er in Zukunft so heißen würde… »Und wer ist das?« fragte er und deutete mit der Schwertspitze auf den fünften Mann, der im Vergleich zu den Generälen zwar genauso wichtig aussah, aber wirkte, als trüge er seine schwarzbeschlagene Rüstung nur zum Angeben. Da war kein Dreck, kein Fleck - wer an diesem Tag auch nur einen Schritt ins Freie gemacht hatte, sah nach dem Gewitterregen mindestens so aus wie die Generäle, wenn nicht gleich wie Gaven. Jemand, der lieber andere für sich kämpfen ließ - Varyn versuchte, die Frage genauso abschätzig klingen zu lassen wie vorhin die Frage nach Gaven.
Aber der Mann, ohne eine Miene zu verziehen über dem schwarzen Bart, stellte sich selbst vor. »Ansgar von Car Diuree«, sagte er. »Königlicher Kriegsbotschafter von Doubladir. Wir hatten noch nicht das Vergnügen.« Seine Stimme klang nicht, als ob es ihn seinem Leben jemals irgendwas Vergnügliches gäbe. Außer Krieg, vielleicht.
»Gut«, sagte Varyn, und versuchte noch einmal den verträumten Augenaufschlag einer ausgewachsenen Milchkuh während des Melkens. »Und wo finde ich jetzt den Fürst Dannen? Ich hab noch ein Schwert von ihm.«
Es war ihm fast peinlich, den Dämlack spielen zu müssen. Immerhin war keiner der Generäle bis jetzt auf die Knie gegangen, und sie machten auch nicht den ergriffensten Eindruck - wenn nicht bald noch Dannen dazu kam, würde Varyn doch aufhören, zu tun, als wäre er der Dorfdepp. Vielleicht war es besser, wenn sie ihn ernst nahmen, aber dafür war es jetzt vermutlich zu spät.
»Ja, das Schwert«, sagte General Korant, und seine Stimme klang erfreulich skeptisch. »Stimmt es, was man sich erzählt?«
Varyn legte den Kopf schief. »Woher soll ich wissen, was man sich erzählt?« Er setzte ein Lächeln hinterher.
Der General seufzte. »Ein Blitz aus heiterem Himmel tötete den König, und das Schwert fiel direkt in deine Hand.«
Varyn überlegte noch, ob er nicken sollte oder widersprechen, aber da sagte Gaven an seiner Seite: »Nein, das stimmt nicht!«
»So?« fragte der General nur, aber da blubberten die Worte auch schon aus Gaven heraus.
»Ich hab es aufgefangen, nicht er! Also eigentlich hab ich es aufgehoben, es ist auf dem Boden gelandet, und dann hab ich es genommen, aber niemand glaubt mir das, noch nicht mal er!«
»Sei still, Junge!« herrschte ihn der Kriegsbotschafter an, und es war gut, daß er stand wie aus Holz gehauen, sonst hätte er Gaven vielleicht sogar geschlagen. »Mach dich nicht wichtig!« Zu den Generälen sagte er: »Was fragt Ihr überhaupt noch? Wir haben genug Zeugen, die es genau gesehen haben, und was mit dem Himmel geschehen ist, dafür haben wir sogar unsere eigenen Augen.«
»Aber wenn ich doch…«, versuchte Gaven es nochmal und wurde immer leiser, bis seine Worte im Nichts versickerten und er zu Boden starrte, die Hände zu festen kleinen Fäusten geballt als letztes Zeichen seines Trotzes.
»Es ist doch egal, wie ich an das Schwert gekommen bin«, sagte Varyn schnell. Sein Kopf schwirrte plötzlich wieder, wegen dem, was Gaven gesagt hatte. Gaven konnte eine kleine Nervensäge sein, und manchmal versuchte er auch, sich wirklich wichtig zu machen, aber dafür blies er Ereignisse größer auf, als sie tatsächlich waren - er erfand nichts, was nicht geschehen war. Und konnte sich Varyn nicht genau erinnern, wie das Schwert in seine Hand gekommen war. Da gab es immer noch mehr als eine Wirklichkeit - was, wenn Gaven jetzt recht hatte? Und alle anderen unrecht? Das war eine schöne Aussicht… »Ich will es jedenfalls nicht.«
Die Gesichter der Männer blieben ernst. Sie schienen ihn zu mustern, sehr eindringlich - wollten sie ihn nur besser einschätzen können? Oder überlegten sie schon, wie sie ihn am besten überwältigen konnten? »Varyn«, sagte General Hayko schließlich, als spräche er mit einem sehr jungen Kind, aber daran war Varyn selbst schuld, »weißt du, was ein Engelsurteil ist?«
Varyn nickte. »Wenn jemand beschuldigt wird, was verbrochen zu haben, und keiner weiß, ob es stimmt oder nicht -«
»Ein Engelsurteil«, sagte der General, »kann man nicht erzwingen. Es kommt vom Engel, oder es kommt nicht. Der Engel entscheidet. Und hier hat er entschieden, daß Vigilanders Schwert besser in deinen Händen aufgehoben ist.«
Varyn blickte zu Boden. Das war jetzt doch sehr nah am Niederknien dran. Jetzt sollten sie besser seine Augen nicht sehen, die Augen, von denen Dannen meinte, daß sie ihn als Engelsgeborenen verrieten. Sonst zählten die Männer am Ende nur zwei und zwei zusammen… »Ich hab keinen Engel gesehen«, sagte er verstockt. »Und warum sollte er so was machen? Ich bin ein ganz normaler Fußsoldat, ich weiß noch nicht mal, wie man mit so einem Schwert umgeht.« Gaven mochte sich im gegebenen Rahmen an die Wahrheit halten, aber für Varyn galt das nicht.
»Dann wirst du es lernen.« Aber das sagte keiner der Generäle, und auch nicht der Kriegsbotschafter. Die Stimme kam von weiter hinten im Raum, von einem Mann, der gerade die Treppe aus dem oberen Stockwerk hinunter kam - wie lange er dort gestanden hatte, konnte Varyn nicht sagen, aber als er die Umrisse des Mannes deutlicher erkennen konnte, blieb ihm doch die Luft weg. War das Dannen?
Varyn zwinkerte, und seine Hand mit dem Schwert zitterte plötzlich, daß ihm nichts anderes einfiel, als sie und den Griff vor seine Brust zu drücken, auch wenn das jetzt wieder besonders ergreifend aussehen mochte. Wenn Dannen hier war… Das machte alles keinen Sinn, Dannen hätte gleich zu ihm hinstürmen und ihm das Schwert aus der Hand reißen müssen! Und als der Mann dann auch näher kam, erkannte Varyn seinen Irrtum. Es war nicht Dannen. Es war nur ein Mann, der ihm wirklich sehr ähnlich sah. Nur vielleicht ein paar Jahre jünger. Aber dies»e Art, wie die Augen etwas anderes sagten als der Mund - die war die gleiche. Das war eigentlich das erste, was Varyn an Dannen aufgefallen war: Er konnte einen grimmigen Mund machen, und seine Augen blitzten dabei. Oder Lächeln, und seine Augen waren traurig, trüb oder trotzig. Nur wer -
Es gab nur eine Möglichkeit, das rauszufinden. »Mein Fürst«, sagte Varyn und fiel auf ein Knie, es hatten ihm an dem Tag genug Männer gezeigt, wie das ging. Er tat so, als schaue er demutsvoll zu Boden, und nutzte aus, daß ihm die Haare dabei vors Gesicht fielen - so konnte er zwischen den Strähnen hindurch schielen und sehen, was der Mann, der Dannens Bruder hätte sein können, machte.
Aber dafür brauchte er nicht einmal seine Augen. Der Mann lachte nämlich, und das laut. »Sehr witzig!« Nein, es war doch ganz gut, daß Varyn hinsah: Die Augen lachten nämlich nicht mit. »Steh auf, Bursche!«
Varyn gehorchte. »Aber seid Ihr nicht Fürst Dannen?« Es mußte keiner von den Generälen wissen, wie gut Varyn Dannen kannte, und da der König sie nicht eingeweiht zu haben schien darüber, daß er Varyn sowieso schon beobachtete und alle damit rechneten, daß das Schwert irgendwie bei ihm landen würde, konnte er das Spielchen jetzt ruhig ein bißchen weitertreiben.
Es war schön zu sehen, wie sich das Gesicht des Mannes bei Dannens Namen verzog, ganz kurz nur, aber deutlich. »Der ist nicht hier«, sagte er dann. »Du mußt mit mir Vorlieb nehmen. Ich bin sein Bruder.«
Jetzt erwischte er Varyn wirklich auf dem falschen Fuß. »Ich dachte, sein Bruder wär gestorben!« entfuhr es ihm. Dannen hatte eine Schwester, das wußte er, aber außer dem großen Bruder, der nicht mehr lebte, hatte er nie irgendwelche anderen Geschwister erwähnt - gut, er mußte auch nicht seine ganze Lebensgeschichte vor ihnen ausbreiten, und vielleicht dachte er, daß Varyn und Gaven mit ihren eigenen toten Geschwistern nicht von seinen lebenden hören wollten -
»Er hat noch zwei«, sagte der Mann, und dann setzte er ein Grinsen auf. »Ich bin der Bastard. Er tut lieber so, als gäbe es mich nicht. Mein Name ist Rul.«
Varyn ließ das Schwert wieder sinken. Es drückte sonst an der Brust, und der Arm wurde ihm lahm. »Ich gebe das Schwert nur Dannen«, sagte er. »Das tut mir Leid, aber solange Dannen lebt…« Er biß sich auf die Zunge, ein einfacher Fußsoldat würde das Wort Fürst vor Dannens Namen nicht vergessen - aber bei diesem Rul mußte man annehmen, daß der König ihn vielleicht doch auch eingeweiht hatte. »Ich bin übrigens auch ein Bastard«, sagte er vergnügter, als er sich fühlte. Aber er hatte dieses Wort so oft gehört, meistens entgegengespiehen oder sonstwie höhnisch - wenn es Rul auch so gegangen war, war es kein Wunder, wenn er auf Dannen schlecht zu sprechen war. Andererseits, derjenige, der Varyn mit am häufigsten Bastard geschimpft hatte, war Gaven, und trotzdem verzog Varyn bei seinem Namen nicht das Gesicht. War vielleicht ein Unterschied, wenn der Bastard den gleichen Vater hatte. Varyn war ja nur der Bastard von Gavens toter Tante.
»Und was soll mir das sagen?« Rul stand jetzt direkt vor Varyn, seine Rüstung sprach von der Schlacht, er roch nach Schweiß, Blut und nassem Leder, das war also auch einer, der heute im Feld gewesen war und nicht nur irgendwo am Rand als Zuschauer. »Denkst du, ich verbünde mich dann mit dir?«
»Ich weiß nicht, was ich denken soll«, sagte Varyn. »Und was ist nun mit Dannen?« Langsam fing er an, sich Sorgen zu machen. Alle hielten ihn hin, niemand ging auf seine Fragen ein - wenn Dannen jetzt etwas zugestoßen war? Wenn er die Schlacht nicht überlebt hatte, wie sein Vater? Gehörte das Schwert dann am Ende doch dem Bastard?
»Es geht auch nicht darum, was du denkst«, sagte Rul, und die Schroffheit in seiner Stimme erinnerte wieder an Dannen - Varyn mußte achtgeben, was er tat und sagte, er durfte sich diesem Mann gegenüber nicht so offen geben wie vor Dannen, den er über die gemeinsamen Wochen gut genug kennengelernt hatte. Ein Bruder war nicht wie der andere, egal wie ähnlich sie sich sahen… »Sondern, was die Engel denken«, redete Rul weiter. »Und, was wir denken.«
Varyn schluckte. Das klang wie eine Drohung. Er merkte, daß er schwitzte, und langsam begriff er, daß er die Situation falsch eingeschätzt hatte. Natürlich, der Dämmervogel hatte ihm Honig ums Maul geschmiert. Natürlich, die Männer im Feld waren vor ihm niedergekniet. Aber daß er erwartet hatte, gleich zum König ausgerufen zu werden - das war sein Fehler. Die Generäle hier schienen nicht gerade interessiert daran, ihn zu krönen. Statt dessen standen sie auf gutem Fuße mit dem königlichen Bastard, der vielleicht sein ganzes Leben lang auf so einen Moment gewartet hatte, der dem Schwert seines Vaters noch nie so nah war wie jetzt… Nein, jetzt war wirklich keine Zeit, sich dämlich zu stellen. Varyn schielte zu Gaven hinüber, der seinen Blick erwiderte und nickte, was immer er damit sagen wollte. Rückzug?
»Es ist gerade kein Engel da«, sagte Varyn so fest wie möglich. »Was denkt Ihr?«
»Ich denke, wir sollten uns setzen«, sagte General Davor, und da er aussah, als wäre er der älteste der Männer, durfte er das auch vorschlagen. »Was Fürst Dannen angeht, so haben wir einen Boten geschickt, der ihn herholen soll, natürlich wollen wir hier nichts hinter seinem Rücken entscheiden, natürlich geht es auch ihn an.« Varyn atmete ein bißchen auf. Dannen lebte, das war gut, das schmälerte vor allem Ruls Anrecht auf das Schwert und vergrößerte damit Varyns Recht auf Leben. »Ich wundere mich, daß er noch nicht hier ist«, redete der General weiter, »ich denke, er dürfte das größte Interesse von uns allen haben, hier eine Entscheidung zu treffen.«
Der etwas jüngere General Hayko schüttelte den Kopf. »Was mich betrifft, so ist das nicht unsere Entscheidung. Und sie ist längst getroffen worden. Vigilander hat sein Schwert an einen würdigeren Erben weitergegeben.«
»Wo soll dieser Junge denn würdig sein?« fragte Korant, und Varyn merkte ihn sich als den Vernünftigsten unter den Generälen. »Wenn es einer von uns wäre, ha! Oder auch Fürst Rul hier - aber dieses Milchgesicht?«
»Es ist nicht an Euch, die Entscheidungen eines Engels zu hinterfragen!« fuhr ihn Hayko fast an. Rul und der Kriegsbotschafter blickten einander an wie zwei, die einander gut kannten, und hielten sich heraus, sie waren am schwersten einzuschätzen.
»Bevor mir jemand das Gegenteil beweist«, sagte Korant, »halte ich die Ereignisse schlicht und ergreifend für Zufall. Ja, der Bursche hier hat das Schwert gefangen - oder der andere Junge, der das gleiche behauptet - aber woher will ich wissen, daß ein Engel dahinter steckt? Und wenn ein Engel, wieso Vigilander? Nur einen Augenblick davor ist Lorimanders Erbe gefallen, wer sagt mir denn, daß der Tod unseres Königs nicht Lorimanders Rache war? Und Lorimander, oder sonstein Engel, der Vigilanders Haus schwächen will, indem er dem nächstbesten Trottel das Schwert in die Hand gibt?«
»Aber denkt nur an Koristan!« Hayko schien immer mehr zu entflammen. Varyn wünschte sich, den Mann irgendwie abkühlen zu können, aber ihm fiel nicht ein, wie. Sollten die anderen Generäle ihn mundtot machen!
»Ha!« schnaubte Korant. »Koristan soll selbst an sich denken, ich hab besseres zu tun. Was interessiert mich Koristan? Die mögen auf so einen Schwindel reingefallen zu sein, was mich angeht, ich denke nicht dran.«
»Und ich sage, wir setzen uns hin!« unterbrach ihn Davor. »Entscheidungen trifft man nicht im Stehen!«
Im hinteren Teil des Hauses stand ein Tisch, ein einzelner, um den man sitzen konnte und einander noch sehen, anders als an dieser Riesentafel mit den Karten, die nur dafür geeignet schien, darum herumzugehen und zu sehen, welche Einheit wo stand. Aber nicht alle nahmen Platz. Der Kriegsbotschafter blieb stehen, und Rul, ehe er sich setzte, ging noch einmal zur Tür und wechselte ein paar Worte mit einem von den Männern da draußen, vielleicht ging es um den Verbleib von Dannen. Und selbst als sie dann saßen, war immer noch nicht alles in Ordnung.
»Ich weiß nicht, was dieser Bengel hier verloren hat«, sagte General Dernik und zeigte auf Gaven. »Er hat nichts mit dem Schwert zu schaffen, und was wir hier zu bereden haben, geht ihn nichts an.«
»Und ob mich das angeht!« Gaven ließ sich zumindest nicht einschüchtern. »Ich habe mindestens so viel hier zu schaffen wie der Bastard.« Varyn vermutete, daß er selbst damit gemeint war, denn es war der Tonfall, den Gaven meistens dafür benutzte, aber es war Rul, der bei den Worten zu Stein erstarrte.
Varyn biß sich auf die Zunge. Fast hätte er den Männern jetzt erklärt, daß tatsächlich Gaven an seiner Statt das Schwert gefangen hatte, aber er wollte nicht riskieren, plötzlich Gaven als König zu haben. Und der Junge war selbst verantwortlich, welche Worte er wählte.
»Raus!« sagte Rul durch zusammengebissene Zähne. »Raus, sofort, oder ich vergesse mich.«
Varyn beugte sich zu Gaven und sagte so leise wie möglich: »Tu was er sagt. Ich komm hier nicht heile raus, nicht ohne weiteres - bring du dich in Sicherheit, ich versuch mich hier irgendwie rauszuhauen, aber erstmal will ich wissen, daß dir nichts passiert.« Er hoffte, daß niemand außer seinem Bruder die geflüsterten Worte verstand, aber er meinte, was er sagte. Besser, sie machten nur ihn fertig, als ihn und Gaven.
Aber Gaven schüttelte den Kopf, genau wie Varyn erwartet hatte. »Ich denk nicht dran, ich hab ein Anrecht -«
»Ich befehle es dir!« knurrte Varyn etwas lauter. »Wenn du hier nicht alles kaputt machen willst, treffen wir uns draußen. Ich will keine Rücksicht auf dich nehmen müssen.«
Gavens Augen weiteten sich. Es war das Gesicht von einem, der gerade zum letzten Mal in seinem Leben verraten wurde. Dann schlich er nach draußen wie ein geprügelter Hund, und Varyn spürte dieses Ziehen in der Brust - er war sich plötzlich nicht mehr sicher, ob er Gaven da draußen jemals wiedersehen würde. Einen Moment lang war er sich sicher, das falsche getan zu haben. Dann konnte er nichts mehr ändern, und er straffte sich.
Es war besser, wenn Gaven draußen war und Varyn das hier allein durchzog. Vor allem mußte Gaven sich dann nicht diesen unerträglichen General Korant anhören - und Varyn konnte auch Dinge sagen, die vielleicht stimmten, aber nicht wirklich für Gavens Ohren bestimmt waren. Wenn nur endlich Dannen auftauchte!
»Wenigstens sitzen wir jetzt«, sagte Davor. »Möchte jemand etwas trinken?«
Varyns Lippen fühlten sich plötzlich trocken an. Natürlich hatte er Durst, das letzte Mal, daß er etwas getrunken hatte, war lange her, noch bevor die Loringarim über die Brücke marschiert kamen und die Schlacht begann. Aber es gab im Moment so viele wichtigere Dinge, an die er denken mußte - trinken konnte er hinterher immer noch. Und er traute diesen Männern nicht genug, um auch nur einen Becher Wasser von ihnen anzunehmen.«
»Mir ist egal, wie es hier ausgeht«, sagte General Dernik in die Runde. »Ich diene dem Krieg, diesem und dem nächsten und denen, die noch kommen - mir ist es wichtiger, daß wir unseren Plan durchführen und Loringaril ein und für allemal in seine Schranken verweisen. Solange wir keine Zeit vertrödeln und mir der König sagt, daß wir da weitermachen, wo wir aufgehört haben, kann mir egal sein, wer das ist.«
Der Kriegsbotschafter verzog bei den Worten das Gesicht, es konnte ein Lächeln sein. »Das sehe ich auch so«, sagte er. »Wir hatten Glück mit unserem letzten König, und es macht wenig Sinn, daß Vigilander ihn strafen hätten sollen - er war um Doubladir besorgter als um alles andere, und die Heilige Rache war ihm wichtiger als alles andere. Sofern das jetzt so weitergeht…«
Rul begann zu husten, auf diese falsche Art, wenn man nur auf sich aufmerksam machen will. »Wenn es nach meinem Halbbruder ginge«, sagte er, und es klang, als könne Dannen keine vorteilhaftere Bezeichnung von ihm erwarten, »würden wir in Zukunft auf alle Kriege verzichten, und Doubladir wäre bald nichts mehr als das Hinterland von Loringaril. Ich kann mir nicht denken, daß das in Vigilanders Sinne wär.«
Varyn saß ganz ruhig, aber seine unterschwellige Angst wuchs weiter. Diese Dinge, über die diese Männer hier plauderten, konnten ihn unmöglich etwas angehen, und eine Erklärung, warum man ihn trotzdem mithören ließ, war, daß sie nicht vorhatten, ihn noch lange leben zu lassen, damit er es ausplaudern konnte - vor Dannen, zum Beispiel. Rul wußte von Varyn, dann wußte er auch, daß er Dannen kannte. Oder wagten sie es einfach nicht, ihn mit dem Schwert aus den Augen zu lassen? Das war eine tröstlichere Vorstellung, aber nicht das, an was Varyn glaubte.
»Ihr macht Euch falsche Hoffnungen, Rul«, sagte General Davor. »Das hier geht nicht um die Frage zwischen Euch und Euren Brüdern. Es geht allein um diesen Jungen und das Schwert. Die Soldaten sehen in ihm schon den nächsten König - nicht in Euch, auch nicht in Fürst Dannen. Wir haben hier eine Entscheidung zu treffen, von der nicht nur der Ausgang des Kriegs abhängt, sondern auch das Schicksal Doubladirs. Wenn wir ihm die Treue schwören -«
»Wir haben längst geschworen«, unterbrach ihn Dernik. »Auf das Schwert haben wir geschworen, nicht auf den, der es führt. Damit ist die Sache für mich klar.«
Varyn schluckte. Dernik und Rul, vor denen mußte er sich hüten, und nicht nur ein bißchen. Dernik würde Varyn folgen, solange bis der das Schwert loslassen mußte, zum Beispiel, weil seine kalte tote Hand am Griff erschlaffte. Und Rul wollte das Schwert haben, am liebsten sofort, und es dann vielleicht benutzen, um die restlichen Geschwister aus dem Weg zu räumen. Den Kriegsbotschafter zählte Varyn auch lieber auf dieser Seite. Das waren drei. Auf der anderen Seite die anderen Generäle, auch drei, und völlig uneins - nicht gut, um auf sie zu vertrauen, um sich sicher zu fühlen. Am besten hielt sich Varyn an Korant, der als einziger wirklich an ihn zu glauben schien… Aber wen er jetzt wirklich brauchte, war Dannen. Und der Dämmervogel.

Die Diskussion ging hin und her und führte zu nichts, als daß Varyn die Männer besser kennenlernte. Draußen wurde es dunkel, nicht wegen des Gewitters, sondern weil die Nacht kam, und das Gerede wurde lahmer - die Schlacht ging nicht spurlos an ihnen vorbei, sie hatte zu viel Kraft geraubt, selbst bei den Generälen, von denen man meinen sollte, sie hatten viel zu tun, bis die Schlacht begann und wenig danach. Varyn saß zwischen den Generälen, das Schwert so fest umklammert, daß er seine rechte Hand kaum noch spüren konnte. Sein Griff war fest, das wußte Varyn, vielleicht fester als der von jedem anderen Mann am Tisch. So lange hatte er die Hacke geführt, die nicht wegrutschen durfte oder davonfliegen, wenn man nach hinten ausholte: Wenn Varyn etwas festhielt, dann war das fest. Sie sprachen mehr über ihn als mit ihm, aber gehen durfte Varyn deswegen trotzdem nicht.
Im Grunde ging es gerade gar nicht wirklich um ihn oder das Schwert - es ging um Dannen, auch wenn der kaum jemals erwähnt wurde. Immer wieder ging jemand zur Tür, meistens Rul, manchmal Ansgar, redete mit den Leuten und kam dann kopfschüttelnd zurück. Und sie wußten alle, ohne es sagen zu müssen, daß sie zwar eine große Schlacht hinter sich hatten, aber so groß auch wieder nicht, daß ein Mann einen halben Tag gebraucht hätte, um von dort wieder zum Heerlager zurückzufinden. Vor allem, wenn der Mann auf einem Pferd saß. Und es war nicht nur Dannen, der noch nicht wieder aufgetaucht worden war, auch als der Lärm von draußen verriet, daß inzwischen der Großteil der Männer wieder zurück war, zumindest der überlebenden. Es fehlten auch Leota und ein weiterer Bruder, von dem Varyn nicht viel mehr wußte, als daß er das jüngste Kind des verstorbenen Königs war.
»Es hat keinen Sinn mehr«, sagte General Davor irgendwann. »Die Boten haben ihn überall gesucht, und selbst wenn es draußen nicht längst stockdunkel wäre, sie werden ihn nicht mehr finden. Heute zumindest nicht.«
Dann schwiegen sie alle einen Moment, und Varyn fühlte, daß wieder alle Blicke auf ihm lagen. Daß ein einfacher Junge plötzlich Vigilanders Schwert in der Hand hielt, das war eine Sache. Aber daß der rechtmäßige Erbe wie vom Erdboden verschluckt war, das war etwas anderes. Ihn am anderen Tag suchen hieß, das Schlachtfeld abzuwandern, die Toten umzudrehen, die mit dem Gesicht nach unten lagen, und sehen, ob der verlorene Fürst dabei war. Tote Pferde zur Seite wälzen, die ihren Reiter unter sich begraben hatten… keine schöne Arbeit, und keine schöne Aussicht.
Varyn glaubte nicht, daß Dannen tot war. Er konnte es sich nicht vorstellen, es machte so wenig Sinn. Aber wo war er dann? Varyns Hoffnung, einfach Dannen das Schwert in die Hand zu drücken und zu hoffen, dafür als Gast auf die Krönung eingeladen zu werden, und dann seines Weges gehen und nicht mehr mit alldem zu tun zu haben, war nichts als ein Wunschtraum, von Anfang an zum Scheitern verdammt.
»Es ist Zeit, daß wir uns zu Bett begeben«, sagte der Kriegsbotschafter und machte ein paar Schritte rückwärts, damit die Männer ihre Stühle zurück schieben konnten. Er hatte wirklich die ganze Zeit über gestanden, man konnte sich nicht vorstellen, daß er so etwas wie Knie besaß, ab und an zur Tür und wieder zurück - aber er war kein Mann der großen Worte, als Botschafter war es seine Aufgabe, mit Vertretern der Feinde zu verhandeln, und da mußte er sich mit der Freundesseite vielleicht gar nicht groß abgeben.
»Zu Bett gehen«, sagte Davor und seufzte. »Ich wünschte, wir hätten heute schon zu einem Ergebnis kommen können, aber wenn Fürst Dannen verschwunden ist…« Er sprach nicht weiter. Er mußte es nicht.
Varyn blieb sitzen, unsicher, wie es jetzt für ihn weitergehen sollte. Daß er nicht das Schwert nehmen und damit zu seinem Zelt zurückkehren würde, das war klar. Er fragte sich, was in der Zwischenzeit aus Gaven geworden sein mochte, und er hoffte halb, daß der schon halb auf dem Weg nach Doubladir war, aber wenn er noch in der Nähe war, mußte man ihn zumindest aus dem Dorf gelassen haben… Varyn machte sich Sorgen. Als er Gaven vor die Tür scheuchte, hatte er nicht damit gerechnet, daß es danach dermaßen lang dauern würde -
Er schreckte hoch, als plötzlich eine Hand auf seiner Schulter lag, und hätte fast das Schwert mit hochgerissen und es dem General Korant in den Leib gestoßen. »Komm mit, Varyn«, sagte der General. »Für heute Nacht sollst du hier im Haus schlafen, ich zeige dir, wo du einen Platz findest.«
Varyn nickte und stand schnell auf. Wenn er es schaffte, mit dem General ein paar Worte unter vier Augen auszutauschen. »Ich will hier nur weg«, flüsterte er, als er hinter dem anderen Mann die Stufen zum oberen Stockwerk hochstieg. »Macht mich nicht zum König, bitte!«
Korant lachte, oder grunzte, es war ein kurzes Geräusch, das Zustimmung oder Ablehnung bedeuten konnte. Vielleicht wunderte er sich, warum Varyn das Schwert dann nicht einfach losließ, daß Rul es haben konnte oder sonstwer - wieso machte er sich solche Sorgen um seine Leben, wenn er es auch viel einfacher hätte haben können? »Ich war immer für Dannen«, sagte der General leise. »Aber wenn der verschwunden ist, sieht es anders aus. Ich kann nicht ewig zweifeln. Aber bevor ich eine Nacht drüber geschlafen habe, wirst du nichts von mir hören, was eine Entscheidung sein könnte.«
Varyn nickte nur und hielt das Schwert weiter fest. Er wußte, warum er nicht einfach so gehen konnte, warum er das durchziehen mußte und schlimmstenfalls erdulden, was immer sie auch mit ihm machen würden. Er hatte es versprochen. Nicht für ihn selbst, sondern für Noran… Und als er dann rücklingst in einem Bett lag, in einer kleinen Kammer, die vor nicht langer Zeit einem Loringarim gehört hatte und danach einem Mitglied der königlichen Familie, Varyn wußte nicht wem und wollte es auch nicht wissen, versuchte er sich mit dem Gedanken anzufreunden, am Ende doch noch König zu werden -
Es ging nicht. Er konnte es sich nicht vorstellen. Es war viel zu weit von seinem richtigen Leben entfernt. Kleine Dinge konnte Varyn sich vorstellen. Große nicht. Und wenn ihm das Schicksal keine Bilder in den Kopf schickte, dann waren auch keine da. Von sich aus war Varyn nicht viel mehr als ein stumpfer Einfaltspinsel.
Und so lag Varyn dann in seinem Bett so schlecht wie seit langer Zeit nicht mehr - nicht daheim im Tal, mit schlechten Träumen und einem Laken, in dem noch schwarzer Kohlenstaub knirschte, nicht auf der kalten Pritsche in der Zelle hatte er schlechter gelegen. Es lag nicht an dem Bett, das sicher dem harten Lager im Einheitszelt weit überlegen war, sondern der Tatsache, daß Varyn das Schwert mit ins Bett genommen hatte, ein Schwert, für das er keine Scheide und keinen Schutz besaß, und abgesehen davon, daß man sich nur allzu leicht daran verletzen konnte, war es immer noch das Schwert des Elomaran Vigilander, und wie sollte der es finden, daß da ein Junge einfach sein heiliges Schwert mit ins Bett nahm? Da half es auch nicht, daß Varyn bis auf die Schuhe alle Kleider anließ - es fühlte sich falsch an, und er fand keine Ruhe. Und das war fatal.
Varyn brauchte Schlaf, dringender als alles andere. Nicht, weil er übermüdet war - natürlich, auch deswegen - sondern weil er den Dämmervogel sehen mußte. Was sollte der andere Tag bringen? Wie sollte Varyn sich verhalten? Er war so unsicher - der Weg, den er einschlagen mußte, lag ihm so wenig, daß, wenn ihm nicht der Dämmervogel sagte, daß sie genau das von ihm erwartete, Varyn ausbrechen und seines Weges gehen würde. Er wollte nicht Dannen hintergehen müssen, und noch weniger wollte er sich zum König ausrufen lassen, am liebsten hätte er das Schwert genommen und es gegen die Männer erhoben, die da hinter dem Rücken ihres rechtmäßigen Königs sein Land verplanten. Aber wenn der Dämmervogel ihn zwang… Doch sie kam nicht, sie kam nie, wenn er wach war. Wenn er sie nicht gerade in Sharaz aufsuchte, war er auf Träume angewiesen, um sie zu treffen, und selbst dann kam sie nur, wenn ihr danach war - aber diese Situation war besonders, es war viel geschehen, was entweder im Sinne des Schicksals war oder nicht, und er mußte sie einfach sehen. Wenn nicht in seinen Träumen, wo dann sonst?
Doch hier lag er, und die Träume waren ihm ferner als alles andere auf der Welt. Er fühlte das Schwert neben sich wie eine tödliche Geliebte, bereit, ihn in Stücke zu schneiden, wenn er im Schlaf nur eine falsche Bewegung machte, aber es war nicht das Schwert, das er fürchtete, nicht das Schwert, das ihm jeden Gedanken an Schlaf raubte. Es war das Wissen, mit welchen Männern er das Haus teilte. Und er wußte, keiner von denen hatte auch nur die allergeringsten Skrupel. Am allerwenigsten der königliche Bastard.
Dannen sagte manchmal, daß er Varyn zu fürchten hätte, doch sie fürchteten einander nicht. Auch wenn Varyn jetzt wußte, wie Recht Dannen mit diesen Worten hatte - keine Furcht. Aber Rul… Wenn er sich an den schlafenden Varyn heran schlich, mußte er ihm nur das Schwert aus der Hand nehmen - oder sich noch weniger Arbeit machen und Varyn gleich den Kopf abschlagen. Oder ihn erdolchen. Oder ihn auf irgend eine andere Art umbringen, um das Zeichen seiner Vorväter an sich zu nehmen. Varyn war nicht sicher - nicht in dieser Nacht, nicht in diesem Bett, und wenn sich nichts änderte, nicht in seinem Leben.
Varyn fror unter seiner Wolldecke. Daß sie auch noch seltsam roch, nach dem Mann, der bis zur letzten Nacht darin geschlafen hatte, daran wollte er gar nicht denken, er brauchte nichts, was ihn jetzt noch vom Schlafen oder Wachen abgelenkt hätte. Er saß, oder lag, in der Falle. In dieser Nacht mußte Varyn träumen, aber er durfte nicht schlafen. Er konnte sich noch nicht einmal erlauben, zu dösen oder im Wachen zu träumen - nichts, was ihn irgendwie unaufmerksam machte. Sein Leben war in Gefahr - die ganze Schlacht über hatte er da gestanden mit seinem Speer und dem Schild, der ihm kaum Schutz bot, und daß dieser gegnerische Reiter ihn nicht umgebracht hatte, verdankte er einem glücklichen Zufall und der Geistesgegenwart des Mannes hinter ihm. Aber die ganze Zeit über hatte er keine Angst gehabt, erst recht nicht um sein Leben - und nun lag er im Bett und konnte plötzlich an nichts anderes mehr denken als daran, daß da ein Mann war, der ihn vielleicht umbringen wollte. Der König hätte ihn all die Zeit über umbringen können, als Varyn im Kerker saß, ihn hinrichten, weil er Desertiert war, und hatte es nicht getan - nur, damit er selbst starb und sein Bastard Mordpläne gegen Varyn ausheckte…
Die Angst wuchs und war zugleich völlig sinnlos. Es war still im Haus. Keine Schritte knarzten auf dem Flur, niemand lauerte vor der Tür, Varyn mußte nichts fürchten als seine eigene Furcht, seine eigene Einbildung. Niemand hatte ihn bedroht, es war nichts geschehen außer grimmigen Blicken, und die konnte jeder werfen und jeder empfangen. Wenn Rul Dannens Bruder war, und sei es nur ein Halbbruder, mußten sie doch irgendwas gemein haben, und dann würde Rul ihn nicht einfach umbringen… Aber Gaven und Edrik waren Brüder, ganz und gar, und doch so unterschiedlich, nicht nur, weil einer von beiden jetzt tot war und der andere noch lebte. Brüder waren kein Garant für irgendwas. Daß Dannen Ruls Bruder war, verhinderte vielleicht, daß der auf die Idee gekommen war, ihn umzubringen und alle anderen, die zwischen ihm und der Krone standen, aber mit Varyn war er nicht verwandt, und dann gab es nichts, um ihn abzuhalten…
Varyn wälzte sich auf die andere Seite, kein leichtes Unterfangen mit einem beinlangen Schwert im Bett. Er hörte es ratschen, als die Spitze sich im Bettlaken verfing und ein Dreieck hineinriß, aber das war seine geringste Sorge - was war schon eine Handvoll Stroh und Spelzen im Bett gegen eine Nacht, in der er nicht schlafen durfte und nicht wachen? Er wollte aufstehen, sich davon stehlen, mit dem Schwert, wenn es sein mußte, aber er kam zwar aus dem Zimmer und die Treppen hinunter, doch da endete es dann, um das Haus standen Wachen, offiziell zwar um zu verhindern, daß sich nachts ein Loringarim heran schlich, den König oder sonstwen ermordete und das Schwert stahl, aber in Wirklichkeit, um zu verhindern, daß Varyn abhauen konnte. Das einzig gute am Herumschleichen war, daß es ihn wach machte, daß er dabei besser denken konnte, als wenn er in seinem Bett lag wie die Wurst auf dem Teller und darauf wartete, daß man ihn umbrachte. Hin und her durch das dunkle Haus, das Schwert in der Hand, die schon nichts anderes mehr kannte, daß er sich schon fast einarmig fühlte für den Rest seines Lebens. Irgendwann würde er sich von diesem Schwert trennen müssen. Er sehnte den Tag herbei. Es war der Tag, an dem alles ein Ende hatte.
Irgendwann näherte sich der Morgen, und er nahm die Dunkelheit mit sich und ersetzte sie durch lange Schatten, die lebten und andeuteten und mehr verbargen, als es die Schwärze der Nacht vermocht hatte, die Zeit der Dämmerung, die Zeit des Dämmervogels, und Unruhe griff nach Varyn, die er nicht mehr bekämpfen konnte. Er war völlig übermüdet - auch wenn er daran gewohnt war, nicht viel zu schlafen und manchmal gar nicht, hatte der vergangene Tag ihn doch mehr mitgenommen, als er sich selbst eingestehen wollte. Schlafen, nur schlafen, sonst nichts, es konnte doch nichts passieren, wenn er eine Stunde schlief oder zwei, sonst war er am nächsten Morgen zerschlagen und unaufmerksam und nicht mehr in der Lage, irgend einem Angriff irgend etwas entgegenzusetzen, was half das beste aller Schwerter, wenn er es nicht mal mehr heben konnte? Wenn er sich unten in dem großen Raum hinhockte, wo sich niemand unbemerkt an ihn anschleichen konnte, wo die Treppe jeden, der sich von oben näherte, mit lautem Knarzen verriet?
Aber als er es versuchte, als er sich zum Schlafen auf einen der Stühle setzte, bekam er kein Auge zu. In seinem Kopf waren Feinde und Mörder, hinter seiner Stirn Blitze, heller als der, der den König getötet hatte, und in seinen Ohren ein Brausen - alles war da, das wach machte, außer Erholung und dem Gefühl, wach zu sein. Gefangen zwischen Schlaf und Wachen in seinen eigenen Gedanken wartete Varyn auf das Ende der Nacht und darauf, daß der Dämmervogel doch noch zu ihm kommen mochte.
Das eine trat ein. Das andere nichts. Und dann war es wieder Tag.

Am anderen Morgen war Varyn müde und zerschlagen. Sein Rücken schmerzte, der rechte Arm tat weh von der Hand bis in die Schulter, dem linken ging es nur wenig besser. Er zitterte, als er versuchte, auch nur einen Schluck Wasser zu trinken, und spritzte mehr davon in sein Gesicht als in seinen Mund - aber es war zu wenig, um ihn wach zu machen. Varyn hockte am Tisch, froh zu sitzen, denn er war nicht sicher, ob er noch stehen konnte, und wartete auf die anderen Männer und die Entscheidung, die sie in der Nacht vielleicht getroffen hatten. Sein Kopf schmerzte und hämmerte, wenn er die ganze Nacht durch gesoffen hätte, wär es ihm kaum schlechter gegangen…
Varyn barg sein Gesicht in der Hand und versuchte, nicht daran zu denken. Dieses Haus war einmal ein Wirtshaus, bevor seine alten Bewohner vertrieben wurden und der König einzog. Und trotz allem, was man über Vigilanders Kinder sagen mochte und den Durst der Generäle von Doubladir, sie hatten bestimmt nicht alles ausgetrunken, was es in diesem Haus an Alkohol gab, und wenn er sich auf die Suche machte, würde er in jedem Fall Erfolg haben… Er schüttelte den Kopf und wünschte sich, er hätte in der Nacht doch den einen oder anderen Mörder abwehren können, um sich jetzt stark zu fühlen gegen den eigentlichen Feind, der tief in seinem Inneren lauerte.
Als der erste von den Männern zu ihm stieß, war Varyn fast froh und erleichtert. Ablenkung, das brauchte er jetzt. Er blickte nicht auf, es war ihm egal, wer das nun war - Hauptsache, Varyn war nicht mehr allein mit sich. Selbst wenn es Rul war - dann konnte er den schlimmen Verdacht vielleicht endlich aus der Welt schaffen.
Aber es war nicht Rul, und auch keiner der Generäle. Es war der Kriegsbotschafter.
»Schon auf, oder noch?« fragte er, und vielleicht klang seine Stimme sogar ein kleines bißchen mitleidig, Varyn konnte das nicht mehr beurteilen, geschweige denn etwas sinnvolles antworten.
»Du bist doch ein schlauer Junge, Varyn«, sagte Ansgar. »Der König hat geahnt, daß etwas passieren würde, vor allem, nachdem sein ältester gestorben war. Sein Zweiter, das wissen wir alle, das hat auch er gewußt, hat nicht das Zeug, ihm nachzufolgen. Der König hat geahnt, daß Vigilander eingreifen würde, und daß es mit dir zu tun hat. Wir haben darüber gesprochen, ob es klug war, dich am Leben zu lassen und in Freiheit, noch dazu direkt in seiner Nähe, aber er wollte es so, und er wußte, was er tat. Wollte dich direkt im Blick halten können. Dich zu töten hätte bedeuten können, Vigilander noch weiter zu erzürnen - man bringt nicht den Auserwählten seines eigenen Engels um, selbst wenn es den Untergang des eigenen Hauses bedeutet. Doubladir geht vor, Doubladir ist wichtiger als Blut und Häuser - und das ist es, worum es uns allen geht. Der König ist tot, er kann nichts mehr entscheiden. Also stell dich jetzt nicht dümmer, als du bist. Von mir aus führ die Generäle an der Nase herum, aber mich kannst du nicht täuschen, dafür habe ich schon zu viel gesehen.«
Varyn biß sich auf seine Unterlippe. Er hatte es in der Hand, mußte den Kriegsbotschafter nur anstrahlen und sagen »Ja, es ist wahr, Vigilander hat mich gesandt«, aber es wäre eine Lüge gewesen. Was immer Vigilander mit der Sache zu tun hatte, und Varyn war sich sicher, daß er irgendwie mit drin hing, Varyn konnte nichts erzählen, ohne Sharazander zu erwähnen. Und ein Engel, dessen Name niemand kannte außer ihm selbst, würde die Dinge nicht gerade erleichtern. Es gefiel ihm auch nicht, wie alle Seiten auf Dannen herumhackten und jetzt selbst der Kriegsbotschafter, den Varyn gestern noch mit Rul in einen Topf geworfen hatte, offenbar sein eigenes Süppchen kochte und bereit war, sein Fähnchen in den Wind zu hängen… »Worum geht es Euch?« fragte er. »Wirklich nur um Doubladir?« Und das war der Moment, in dem er begriff, warum er nicht zum König taugte. Alle sprachen nur von Doubladir, das Land hier, das Land da - aber es war Varyn egal. Seine Heimat war das Tal, das Dorf. Er konnte einen Schritt weitergehen und sagen, dann liebte er auch Doubladir. Aber dann konnte er ebensogut den einen Schritt weiter machen und die ganze Welt lieben, und das war ein viel kleinerer Schritt als der vom Tal zum Land.
»Es geht mir darum, diesen Krieg zu einem Abschluß zu bringen«, sagte Ansgar unverblümt. »Wir haben hier zwei Länder ohne König. Das Land, das zuerst wieder auf die Beine kommt, hat die besseren Karten. Und wir haben hier alles. Wir haben einen Plan, er ist ausgereift und stammt von Männern, die sich wirklich auskennen mit dem, was sie machen. Niemand verlangt von dir, daß du jetzt entscheidest, wie es weiterzugehen hat. Niemand verlangt von dir, daß du jetzt auf einen Schlag verstehst, wie ein Krieg funktioniert und wie man ein Land vom Chaos zur Ordnung bringt. Alles, was du zu tun hast, ist, den Generälen die Gelegenheit zu geben, diesen Plan in die Tat umzusetzen. Sie brauchen keine großen Diskussionen. Alles, was sie brauchen, ist ein Nicken von dem Mann, der das Schwert des Königs hält. Es kann ihnen egal sein, ob du das bist oder Fürst Dannen oder sonst jemandd, verzeih mir die unverblümten Worte, ich will dich nicht schlechtmachen. Aber du bist hier, Fürst Dannen nicht, und die Verantwortung hast du, ob du willst oder nicht. Wenn du dich jetzt zierst, wenn du zögerst oder weiter erklärst, nichts zu sagen zu haben und nichts mit dem Schwert zu schaffen, weißt du, in was für eine Gefahr du Doubladir dann bringst?«
Varyn schüttelte den Kopf, wie es von ihm erwartet wurde, aber er fühlte sich seltsam gleichgültig.
»Du hast die Generäle jetzt schon einen halben Tag hingehalten. Statt Nägel mit Köpfen zu machen und einmal auf den Tisch zu hauen, läßt du zu, daß sie sich völlig zerstreiten, daß sie plötzlich ganz andere Sorgen haben, als wie dieser Krieg am schnellsten zu beenden ist. Und während dieser Zeit kann Loringaril sich bekrabbeln, zum zweiten Schlag ausholen, und eine zweite Schlacht wie diese würden sie am Ende noch gewinnen, und viele Doubladai würden ihre Leben lassen. Und nicht irgendwer, sondern die Männer aus deiner Truppe, deine Freunde, dein kleiner Bruder -«
Varyn zuckte zusammen, als die Rede auf Gaven kam, und die Sorgen um ihn waren zehnmal schlimmer als die um Doubladir oder sonstwen. »Das will ich nicht!« platzte es aus ihm heraus, ohne daß er wußte, ob der Mann recht hatte oder ihm nur Angst einjagen wollte. Für Ansgar galt das gleiche wie für die Schwestern, sie wußten, an welcher Stelle Varyn am Verwundbarsten war.
»Der König von Loringaril, der gestern gestorben ist«, redete der Mann weiter, »war nur eine Puppe ohne Verstand. Ihm wird bald einer nachfolgen, der ihm von Aussehen und Geist identisch ist, und selbst wenn nicht, der Kopf dieses Landes sind die königlichen Berater, und egal wie viele Könige man erschlagen mag, es wird sich nichts ändern, es wird dieses Land nicht einmal schwächen, wenn wir jetzt nicht eingreifen und das Übel bei der Wurzel packen. Doubladir hat keine solchen Berater, es hat sie nicht nötig« - und trotz diesen Worten klang es für Varyn, als ob Ansgar genau das war, der Berater hinter dem König, der sich die Handschuhe nicht schmutzig machte und selbst entschied, wo es lang ging - »und darum braucht es jetzt einen, der die Dinge anpackt. Das bist du.«
»Oder Rul«, sagte Varyn. Nicht weil er das wollte, nicht weil er das glaubte, sondern nur, um zu sehen, wie Ansgar darauf reagieren würde. Aber der lachte nur.
»Rul ist ein Bastard. Guter Kämpfer, guter Stratege, von seinen Brüdern der fähigste, keinen Zweifel. Aber eben nur ein Bastard. Niemand würde ihn als König akzeptieren. Er glaubt, er hat eine Chance gegen dich, wie er sie gegen seine Brüder nie hatte. Aber niemand würde vor ihm niederknien, wie sie es vor dir gemacht haben. Vergiß Rul. Es ist kein anderer da als du.«
»Und was… was soll ich jetzt tun?« fragte Varyn. Den Dämmervogel hatte er nicht getroffen, und das hieß, sie wollte, daß es so ging, wie es ging, kein Grund für sie, einzugreifen. Varyn mußte alles, was Ansgar sagte, für bare Münze nehmen, ob er wollte oder nicht.
»Sag den Generälen, daß du bereit bist, das Schwert zu führen. Zumindest so lange, bis Dannen gefunden und die Lage geklärt ist. Und sag ihnen, sie sollen ihren Plan genau so ausführen, wie sie es mit dem alten König besprochen hatten. Das ist alles.«
Alles war nur ein Nicken. Alles war sehr viel. Aber Varyn hatte keine Wahl, egal wie er die Dinge drehte und wendete, ihm fiel nichts besseres ein. Ansgar hatte Recht, Varyn verstand zu wenig vom Krieg, wußte zu wenig über die Hintergründe, um jetzt eine neue Richtung vorzugeben. Und wenn er das Schwert abgab, dann hatte er auch keinen Einfluß darauf, wie der Krieg weiterging. Der Krieg gehörte den Generälen, vielleicht auch noch Ansgar, aber nicht Varyn. Und wenn es so oder so egal war - dann konnten sie auch ihr Nicken bekommen. Nur für ihren Plan. Der Rest war offen. König mochte immer noch ein anderer werden…
Aber den sechs Brieftauben, die an diesem Morgen über dem Heerlager aufstiegen, konnte diese Frage egal sein. Sie trugen einen Plan mit sich, den Varyn nicht kennen wollte, um nicht doch nach anderen Lösungen suchen zu müssen. Sechs graue Tauben - und Varyn hoffte, daß sie den Frieden trugen.
Er hätte es besser wissen müssen.