Lord L. bekam einen seiner
Wutanfälle. Sein Gesicht lief noch röter an, als es
ohnehin schon war, und dicke gelbe Schwefelwolken quollen aus
seinen Nasenlöchern. Er schnaubte laut, da er recht korpulent
war und es ihn anstrengte, sich aufzuregen.
»Du… Hornochse [jugendfreier Ersatzausdruck]!«
brüllte er. »Hast du keine Augen im Kopf? Du hast die
Falsche geholt!«
Schai atmete werleichtert auf. Sie hatte erwartet, daß sich
das Mißverständnis früher oder später von
selbst aufklären würde.
»Ich kann nichts dafür«, sagte Schaschlik
kleinlaut. »Ihr habt mir kein Bild gezeigt von der Frau, die
ich holen sollte. Und auf dem Zettel stand nicht, daß zwei in
der Wohnung wohnten.«
»Du hättest sie zur Sicherheit nach ihrem Namen fragen
sollen, du Obertrampel! Nicole Tetzner! Und wer ist sie?«
»Jaqueline Weis«, sagte Schai. Der arme Teufel tat ihr
leid. »Nitz - ich meine Nicole - ist meine Freundin. Ich
spiele sonst nie Poker. Kann ich jetzt gehen?«
»Sie gehen lassen?« schnaubte Lord L. »Warum in
drei Teufels Namen sollte ich das? Ihre Seele gehört mir. Sie
haben nicht Nicole Tetzners Seele verspielt, sondern Ihre eigene.
Sie bleibern schön hier, hören Sie?«
Schai seufzte. Das war dumm. »Aber ich dachte, Sie sind
hinter Nicole her! Was nutze ich Ihnen?«
»Gar nichts. Die wenigsten Seelen nutzen mir etwas. Aber die
Seele von Nicole Tetzner bekomme ich so oder so. Und sie
nutzt mir.«
»Muß ich jetzt noch einmal auf die Erde
zurück?« fragte der arme Schaschlik
unglücklich.
»Nein«, sagte Lord L. in gemäßigtem Tonfall,
denn selbst ein Teufel kann nicht unbegrenzt in der Gegend
herumbrüllen, ohne daß ihm die Luft ausgeht.
»Nein, du würdest doch nur alles falsch machen und mir
noch mehr unnütze Leute anschleppen. Ich sehe schon, daß
die Sache mal wieder an mir hängenbleibt.«
Von einem letzten Schnaufen und einer Schwefelwolke begleitet,
stürmte er aus der Hölle…
(aus: Hölle, alles Inklusive, 1993)
Mit der Volljährigkeit wollte Maja weg von sinnloser
Klamauk-Komik hin zu hintergründigem Feinsinn - oder, wie ihr
Vater es nannte: Wesentlich werden (eine der vernichtendsten
Kritiken, die er kannte). In der Oberstufe erwies sich das
Schreiben im Unterricht als einfacher, da man von den Schülern
erwartete, daß sie mitschrieben - und niemand kontrollierte,
was.
Sie versuchte sich weiterhin an Krimis (weder »Das
Mörderspiel« noch »Alibi für einen
Geist« wurden jemals fertig) und scheiterte mit ihrem ersten,
namenlosen Fantasyroman daran, daß sie auf Seite 60 alle
Helden in den Kerker verfrachtet hatte - ohne eine Ahnung, wie sie
die dort jemals wieder herausbekommen sollte. Der Löwe
läßt grüßen…
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