Es war immer wieder der selbe Traum: Ein Traum vom Sterben…
Er saß in einer Schenke an einem Tisch zusammen mit mehreren
Männern, von denen einer plötzlich aufsprang und ihn
anschrie. Ohne zu wissen, um was es ging, brüllte er
zurück, aber obwohl er die Bewegungen seines Mundes
spüren konnte, wußte er nicht, was er sagte, und er
hörte auch kein Wort. Alles, an was er sich hinterher
erinnerte, war, daß der Tisch umgeworfen wurde und ein
großer Tumult ausbrach. Ein Krug zerschellte am Boden, und
Bier sickerte in die Ritzen zwischen den
Fußbodenbrettern.
Dann stand er draußen vor dem Haus, und es war Nacht. Im
Licht, das durch die Fenster der Schenke fiel, konnte er den Mann
erkennen, der vorhin den Streit angefangen hatte. Mit dem Schwert
in der Hand lief er auf den Fremden zu. Aber er konnte ihn nicht
erreichen: Seine Beine versagten ihm den Dienst, und er fiel in den
Schlamm. Als er sich schwankend aufgerappelt hatte, war der andere
verschwunden.
Jetzt machte er sich auf den Weg um das Haus herum, um seinen
Gegner wiederzufinden. Der Hof hinter der Kneipe war voller dunkler
Schatten, und so bemerkte er die Männer, die dort
lauerten, erst, als sie über ihn herfielen.
Geistesgegenwärtig versuchte er sein Schwert
hochzureißen, aber er konnte es nicht mehr halten, und
es flog ihm aus der Hand. Jemand packte von hinten seine Haare und
zerrte ihm den Kopf in den Nacken. Im Mondlicht blitzte etwas
silbern auf - die Klinge eines Messers.
In seinem Kopf dröhnte ein Lachen, grausamer als alles andere,
während er spürte, wie er fiel, immer tiefer, immer
tiefer, hinab in eine unendliche Dunkelheit…
(aus: Durch die Nebelpforte, 1996)
Das Studium brachte
mehr als genug Wendepunkte in Majas Leben. Sie fand in ihrer
Kommilitonin Monica eine verwandte Seele, erst als Freundin, dann
als Autorin, als Rollen- und Schauspielerin. Natürlich
verbrachten sie auch Zeit mit dem Studium, aber was wirklich im
Gedächtnis haften blieb, waren Aktionen wie die
Drei-Personen-Hamlet-Inszenierung (in der sie unter anderem
Horatio, Ophelia und den König darstellte), die Gründung
des Verlags Hamlet-Presse (der bald in Eulenhof-Bücher
umbenannt werden sollte) und die gemeinsame Arbeit an der
»Öbba«, dem ersten epischen Fantasyroman, der auf
den Fachbegriffen des Bibliothekswesens basierte…
1996 war die Geburtsstunde des Werkes, das bis heute den Namen
»Die Geschichte nach der Öbba« trägt - eine
Sammlung von Romanen, die alle, lose miteinander verknüpft, in
den Ländern Angor und Gondria (und einer später
hinzukommenden Ansammlung von Nachbarländern) angesiedelt
wurden - die sich im Lauf der Jahrhunderte entwickelten vom
frühen Mittelalter bis hin zu einer Modernen, die weite
Parallelen zu unseren Achtziger-Jahren aufweist.
Anders als die »Öbba«, die ein Fragment blieb,
wurde das erste der GNÖ-Bücher, »Eine Flöte
aus Eis« tatsächlich fertig, zeitgleich mit ihrer
Diplomarbeit über die deutschen Übersetzungen von Lewis
Carrolls »Alice's Adventures in Wonderland«, und auch
die beiden Fortsetzungen, »Fenoriels Augen« (in Co-Produktion mit Monica Höfkes) und »Durch die
Nebelpforte« erreichten zumindest den Status ansehnlicher
Fragmente - und sind (angeblich) immer noch in ständiger
Bearbeitung…
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