Irgendwann verrieten sie es mir. Sie hatten keine Wahl. Meine Mutter kam angerannt, als ich am Boden lag und meine Stirn auf die Dielen schlug. Ich schrie. Mein Kopf war voll Licht. Ich fühlte es aus meinen Augen und Ohren quellen. Ich verbrannte von innen heraus. Ich bekam keine Luft. Das Licht war in meiner Nase, in meinen Lungen. Ich schrie, aber es ging nicht aus. Ich schlug den Kopf auf den Boden, bis ich blutete, doch selbst mein Blut war Licht. Ich begriff nicht, aber ich wollte, daß es aufhörte, sofort.
Meine Mutter nahm mich auf und strich mir durch das schweißnasse, von Blut klebrige Haar. Später sollte ein Arzt kommen und die Wunde mit zwei Stichen nähen. Ich war klein, vielleicht zwei Jahre alt oder drei. Es sollte keine lange Narbe werden. Heute finde ich sie nur, wenn ich danach suche, aber ich brauche sie nicht, um mich zu erinnern.
»Dao«, sagte meine Mutter. Und dann verriet sie es mir. Sie wählte vorsichtige Worte und sagte: »Dao, du bist etwas ganz Besonderes«, aber das vermutete ich ja schon. »Du trägst einen Funken in dir«, sagte sie.
Und ich schüttelte den Kopf und sagte: »Feuer.« Ich sprach nicht viel. Feuer war eines meiner ersten Worte.
Sie küßte mich auf die Stirn. »Ein Funke vom Großen Feuer", sagte sie. »Ein großer Funke. Soviel Feuer für so einen kleinen Jungen.« Ich ahnte, daß sie nun wieder weinen würde, und ich ahnte richtig. Dann aber liebte ich sie. Sie gab mir von ihrer Medizin ab, damit ich einschlafen konnte, und ich schlief ein, und das Feuer schlief mit mir. Als ich wieder aufwachte, war kein Blut mehr an meinem Kopf, nur zwei kleine Fäden. Ich fühlte mich müde und flauschig. So sollte es immer sein. Es war dunkel in mir. Kein Feuer mehr. Nur noch warme Asche.
(aus: Seelenfeuer, 2008)
Im Jahr 2005 war Maja ziemlich weit unten, und ziemlich weit weg. Weit weg, weil sie von Köln ins Münsterland zurückgezogen war, allein, um dort im Haus ihrer Großmutter zu leben - in einer eigenen Wohnung zwar, aber trotzdem: Weg von Köln, von den Freundinnen, von Christoph, und das alles, weil man ihr im Rheinland keine Arbeit geben wollte. Auch das Münsterland hatte erst einmal nichts für sie, und als es dann etwas hatte, machte es die Dinge nur noch schlimmer: Denn das eine Jahr und zwei Monate, die sie als Vertriebsleiterin eines Münsteraner Wissenschaftsverlags verbrachte, hinterließ Spuren und Narben und darf mit Fug und Recht als schlimmstes Jahr ihres Lebens bezeichnet werden.
2005 hatte sie es hinter sich - dachte sie. Es stimmte nicht. Ein Jahr in der Hölle eines Menschenschinders läßt niemand schnell hinter sich. Und so kam es, daß sie zwar schnell eine neue Stelle fand, eine tolle, großartige Stelle in einer großartigen Buchhandlung, diese aber nicht halten konnte. Sechs Monate, in denen sie merkte, daß sie nicht mehr in der Lage war, normaler Arbeit nachzugehen ohne dabei von ständiger Angst belastet zu werden, so sehr, daß die Arbeit darunter zu leiden begann…
Auch die Schreiberei dümpelte vor sich hin, zwar wurde Schwanenind endlich fertig, aber alles andere wollte nicht so recht vorankommen, erst recht nicht Dämmervogel. Dafür wurde aber der Tintenzirkel um ein Forum erweitert, daß heute aus der Onlinefantasyautorenszene nicht mehr wegzudenken ist. Und das ist immerhin etwas.
Und darum beschloß Maja, aus der Arbeitslosigkeit eine Tugend zu machen, sich einen Tritt zu verpassen, und eine Berufsautorin zu werden.
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