Vierzehntes Kapitel

Vielleicht waren sie schon auf dem Hinweg in diesem Gasthof abgestiegen. Sicherlich sogar. Aber Gasthäuser waren alle gleich, in welchem Land sie auch liegen mochten. Sogar in Landalon - wenn man erst einmal wieder aus der Hauptstadt hinaus war, konnte man beinahe meinen, in einem normalen Land zu sein.
Wenn man alles zusammen nahm - wie viele Jahre seines Lebens hatte Jurik in Wirtshäusern verbacht? Es waren zu viele. Er rechnete es nicht aus. Er wollte sich nicht alt fühlen.
In Tayellin hatten sie zuviel Zeit vertrödelt, und so war es schon fast dunkel, als sie endlich ankamen - zu dunkel, um noch das Wirtshausschild zu erkennen, aber zumindest nicht zu spät, um noch freie Betten zu bekommen. Zwar strömten die Rechtssuchenden aus allen Himmelsrichtungen nach Tayellin; für sie gab es diese Gasthäuser, jedes eine knappe Tagesreise vom letzten entfernt - aber diese Reisenden reichten nicht aus, um in einem dünnbesiedelten Gebiet wie Landalon die Häuser zu füllen. Jurik wußte, daß die Wirtsfamilien zu einem Gutteil von Geld lebten, das ihnen der Alondras jedes Jahr zahlte - das gefiel ihm. Ein König - oder auch ein Alondras, falls er kein König sein wollte - konnte mit seinem Geld machen, was er wollte: Es sich gutgehen lassen, eine Armee bezahlen oder eben eine Reihe von Gasthöfen.
Vielleicht war das auch Juriks Zukunft? Viele ausgediente Soldaten endeten als Wirte - das war ein Handwerk, das nicht erlernt sein wollte, und mit Bier und Wein kannten sich alle Soldaten aus. Und es bedeutete das, wovon sie träumten: Ruhe, Seßhaftigkeit, eine Familie… So wie es aussah, würde Jurik nichts von alldem jemals erlangen.
Jurik erkannte den Wirt nicht wieder - sie waren austauschbar wie ihre Gasthöfe, trugen alle die gleichen speckigen Schürzen und die gleichen Schwielen an den Händen - doch der Wirt erkannte ihn, oder zumindest seine Begleiter. Gut, die Engelsgeborenen fielen auf, egal was sie taten: Ob sie nun das beste Zimmer nahmen oder das schlechteste, beides kam selten genug vor. Und wenn sie zudem von einem alles andere als hochherrschaftlichen Krüppel begleitet wurden…
»Ah, die Herrschaften sind zurück!« Der Wirt rieb sich die Hände. »Nehmt bitte noch für einen Moment Platz; EureGH Zimmer sind bereit, wir wollen nur noch ein wenig frische Luft hereinlassen.« Wie lange mochte es her sein, daß er seiner Armee den Rücken zugekehrt hatte? Schwer zu sagen. So schnell, wie diese Männer dazu neigten, fett zu werden, konnte es sogar nur ein Jahr sein. Und bald war es ein Jahr her, daß Jurik zuletzt unter königlicher Flagge geritten war, in Doubladir -
Er warf Halan einen scharfen Blick zu. Noch konnte der Widerspruch einlegen, ein schlichteres Zimmer verlangen - es mußte ja nicht gleich der wanzenverseuchte Schlafsaal sein. Aber nein, Halan lächelte nur sein engelsgeborenstes Lächeln und ließ sich neben Anders auf einer Bank nieder. Wenn er es darauf anlegte, bald wieder ohne Geld dazustehen - bitte, aber dann brauchte er nicht noch einmal damit rechnen, daß Jurik sie wieder rettete. Juriks Börse war seine eigene; sie würde ihm an diesem Abend einen Krug Wein gönnen und ansonsten nur sparsam geöffnet werden. Armer dummer Halan, armer kleiner Anders - irgendwann würden sie es lernen müssen. Was immer sie in Koristir erwartete - es mochte eher ein Kerker sein als eine Krone.
Kopfschüttelnd ließ Jurik sich an einem anderen Tisch nieder. Für diesen Tag hatte er genug. Sollte Ember doch den Lakaien spielen, wenn er wollte - er hatte hinreichend Unheil gestiftet, dieser unangenehme kleine Mann. Jurik mußte an einen Iltis denken, wenn er ihn sah. Einen parfümierten Iltis - Speichellecker der übelsten Sorte. In seinem Leben hatte Jurik genug dieser Männer getroffen, aber solange man ihn nicht zwang, sie zu mögen, konnte Jurik damit leben. Früher oder später würde Anders Ember in einem Wutanfall die Nase brechen, und dann hatte es sich ausgedient für Herrn Ember von Valon. Jurik konnte warten. Ohnehin tat er nichts anderes.
Während die beiden Jungen sich ausruhten, wechselte Ember ein paar leise Worte mit dem Wirt. Wie es sich für einen Iltis gehörte, blieb er stehen, wenn die Herrschaften saßen. Mit halbem Ohr hörte Jurik Worte wie »warme Handtücher« und »frische Blumen« und mußte ein Lachen zurückhalten. Unter die Belustigung mischte sich erstaunlich viel Ärger. Es war auch schon so schwer genug, Anders derartige Flausen abzugewöhnen - und nun war alle Vorarbeit, die Tayellin an dem Jungen geleistet hatte, wieder dahin.
Tayellin. Jurik bemühte sich, die Stadt aus seiner Erinnerung zu verbannen. Nun verließ er sie schon zum zweiten Mal in dem Wissen, daß es ein Fehler gewesen war, den Alondras aufzusuchen, und daß manche Fragen besser ungestellt blieben, oder zumindest unbeantwortet. Aber allzu vieles von dem, was Jurik zur Zeit tat, war ein Fehler. Die Jungen zu verfolgen, sich ihnen anzuschließen, sich ihnen erneut anzuschließen, obwohl er die Wahl hatte - Jurik barg das Gesicht in Händen und bereute, bereute jede einzelne Entscheidung der letzten Monate. Alles für ein bißchen Rache, das doch in immer weitere Ferne rückte… Jurik winkte den Wirt zu sich herüber, der gerade dabei war, Frau und Tochter getreu Herrn Embers Vorstellungen herumzuscheuchen. Andere Gäste gab es nicht an diesem Abend.
Der Wirt schnaufte. Kleine Schweißperlen standen in seinem Gesicht, und die Worte ‘Auf dem Hinweg waren sie noch nicht so anstrengend’ in seinen Augen. »Ja?« fragte er kurz.
»Wein«, sagte Jurik. »Bitte.« Er gebrauchte dieses Wort nur selten, doch es war eine willkommene Möglichkeit, sich vom Herrn Ember abzugrenzen.
»Was für Wein?« fragte der Wirt zurück. In seiner Stimme lag der Groll, den er gegen Ember und die Engelsgeborenen nicht zeigen durfte - aber immer noch besser, Jurik bekam ihn zu spüren, als die beiden Frauen.
Jurik lächelte. »Wie seh ich denn aus? Den Billigsten. Ein Roter ist mir lieber, und wenn ihr habt, dann etwas anderes als dieses süße Zeug aus Jelenandrea.« Tatsächlich hätte er zu diesem Zeitpunkt jeden Wein genommen, egal wie süß oder sauer, zum Ausgleich für drei Wochen Tayellin, Stadt der Wassertrinker. Seine Säuferjahre hatte Jurik hinter sich, aber manchmal war es leicht, das zu vergessen.
Der Wirt nickte. »Hab ich da. Moment.« Seine Augen musterten Jurik, so wie Jurik ihn musterte - er sah das Schwert an Juriks Seite, diese alte verhaßte Klinge, an der Juriks Schicksal hing, und er sah Juriks ausgestrecktes Bein, und den Gehstock. Juriks sah Mitleid in den Augen des Wirtes - am liebsten hätte er ausgespuckt, aber dann sagte er sich, daß er in diesem Moment durchaus Mitleid verdiente: Immerhin war er mit Anders und Halan unterwegs.
Vielleicht hätte der Wirt noch etwas gesagt, gefragt, sich entschuldigt, aber in dem Moment ging Ember dazwischen. »Was soll das? Die Herren warten, und Ihr führt Gespräche? Wollt Ihr sie nicht zuerst bedienen?«
Jurik warf Anders und Halan einen Blick zu. Halans Lippen waren zu einem schmalen Schlitz zusammengepreßt, Anders noch bleicher als sonst, und beide sahen aus, als wären sie alles andere als überglücklich ob der Behandlung, die Herr Ember ihnen angedeihen ließ. Doch Widerspruch legten sie nicht ein. Jurik lehnte sich zurück. Das mußten sie selbst durchstehen, und seinen Wein würde er schon noch bekommen.
Schließlich stand Halan auf, ignorierte die dampfende Tasse, die der Wirt eilig vor ihm abgestellt hatte, und wechselte mit Anders ein paar kurze Worte in der Engelssprache. Damit waren sie vor Jurik sicher, aber ob Ember die Worte nicht vielleicht doch verstand? Jurik schnaubte. Das gehörte zu den Dingen, die er an den Engelsgeborenen haßte.
Anders antwortete etwas, zuckte die Schultern, hob die Hände - Jurik mußte den Wortlaut nicht verstehen, um zu begreifen, daß der Junge auswich. Da reichte ein Blick in Anders’ Gesicht. Egal, was in ihm vorgehen mochte - normalerweise erlaubte er sich weniger offenes Unglück als in diesem Moment. Er sah wirklich schlecht aus. Halan nickte Anders noch einmal kurz zu und ließ ihn zurück. Eigentlich waren dies sogar die ersten Worte, welche die beiden seit dem Aufbruch überhaupt miteinander wechselten.
»Gute Nacht, Jurik«, sagte Halan leise, als er an seinem Tisch vorüberging. »Ich werde mich jetzt zur Ruhe begeben. Die Reise war sehr anstrengend.«
»Ja, gute Nacht auch«, sagte Jurik, völlig verwirrt. Halan hatte ihm noch nie eine gute Nacht gewünscht, oder einen guten Tag, oder irgend etwas anderes - aber bevor er nachfragen konnte, war Halan schon auf der Treppe nach oben verschwunden. Sein Onkel folgte ihm nicht.
Dann war wieder Herr Ember an Anders’ Seite, redete leise auf ihn ein - Worte waren nicht zu verstehen, nur sein zischelnder Tonfall. Und, daß Anders ihm nicht antwortete. Jurik lehnte sich auf die Tischplatte und machte keinen Hehl daraus, daß er Anders beobachtete - oder beobachtete er Ember?
»Entschuldigung«, sagte eine Mädchenstimme. »Es hat etwas länger gedauert.«
Jurik lächelte zurück. Die Tochter des Wirtes war keine Schönheit, dafür war ihre Nase zu sehr die ihres Vaters, und das breite Kinn ebenso. Sie mochte vielleicht zwanzig Jahre alt sein… Jurik lächelte für sie, aber auch, weil ihm die Geschichte gefiel, von dem alten Soldaten, den die Armee nicht mehr brauchen konnte und der endlich die Zeit fand, seine Frau auch zu heiraten - es war schön, so jemanden zu haben.
Aber das Mädchen sah nicht glücklich aus, auch wenn sie das Lächeln erwiderte. »Wohl bekomm’s«, sagte sie freundlich.
»Warte«, sagte Jurik. »Was schulde ich dir?«
»Es reicht, wenn Ihr morgen früh zahlt.«
Jurik schüttelte den Kopf. »Ich zahle lieber sofort.« Es war besser, niemals etwas schuldig zu bleiben. Und kaum etwas war dümmer, als am Morgen zu erfahren, daß man in der Nacht sein ganzes Geld vertrunken hatte. So etwas sollte ihm nicht passieren.
»Dann sind es vier Mark für den Wein.«
Jurik schluckte. Und er hatte doch extra den billigsten bestellt! »Da kommt noch ein Bett zu«, sagte er.
»Hat der Herr mit den Goldstücken schon bezahlt.« Sie deutete auf Ember.
»Na dann«, sagte Jurik und bezahlte seinen Wein. Wenn Ember zahlen wollte - Jurik mußte jemanden nicht mögen, um sein Geld zu nehmen. Er mochte es nicht, für einen Bettler gehalten zu werden, aber an falschem Stolz waren schon zu viele Männer verhungert. Und das Gold war das erste, was ihm am Herrn Ember gefiel.
Die Wirtstochter ging wieder. Zumindest hatte sie einen hübschen Hintern. Und was den Wein anging - Jurik hatte schon schlechteren getrunken. Er lehnte sich zurück, um Ember und Anders weiter zu belauschen.
»Und? Seid Ihr zufrieden? Oder kann ich noch etwas für Euch tun?«
»Ihr könnt mein Gepäck hinaufbringen«, sagte Anders im gleichen Tonfall wie ‘Ihr könnt tot umfallen’.
»Selbstverständlich. Ich werde sofort…« Suchend blickte sich der Iltis nach den Wirtsleuten um. Jurik sah schnell in seinen Wein, um sich nicht als Lauscher zu verraten.
»Ich sagte, Ihr könnt«, unterbrach ihn Anders.
»Oh ja, ich verstehe… selbstverständlich werde ich…«
Jurik lächelte in sich hinein, als Ember aufstand, sich Anders’ Tasche über die Schulter legte und das seltsame Bündel vom Boden neben Anders’ Füßen aufnahm. Bei aller Heimlichtuerei konnten eigentlich doch nur Schwerter darin sein. Mit irgend etwas mußte sich Herr Ember schließlich bei Anders eingekauft haben. Geld reichte nicht aus, um aus dem Jungen einen Lügner zu machen.
Als Ember endlich nach oben verschwunden war, atmete Jurik erleichtert auf. Mit einem Schlag schien es in der Wirtsstube merklich wärmer zu werden. Er nahm einen Schluck von seinem Wein, schloß die Augen und versuchte zu entspannen. Reiten, selbst auf einer Schindmähre, war deutlich angenehmer und vor allem weniger anstrengend als Wandern, dennoch war Jurik froh, sich im Warmen erholen zu können. Ein Platz am Feuer - wie passend für einen Krüppel, oder einen alten Mann!
»Kann ich mich etwas zu dir setzen?«
Jurik blickte auf. Da stand Anders, und er sah wirklich erbärmlich aus.
»Sicher«, sagte Jurik und rutschte ein Stück zur Seite, damit auf der Bank genügend Platz für den Jungen war. Anders setzte sich zaghaft
»Und?« fragte Jurik. »Alles in Ordnung?«
»Kann ich etwas von deinem Wein abhaben?«
Jurik hob eine Augenbraue. So also huschte der Hase! »Kommt darauf an«, sagte er, »ob du dich am Preis beteiligst. Ich bin schließlich kein Geldscheißer.« Natürlich hatte er immer noch genug, um Anders einzuladen, aber er wollte sehen, wie ernst es dem war. Und es war Zeit, Anders den Wert des Geldes beizubringen. Vier Mark für einen Krug Wein!
Anders legte einen Gulden auf den Tisch. »Hier - ich weiß, daß das zuviel ist, aber behalt es. Sag Bescheid, wenn du mehr willst.« Seine Augen waren fest auf den Wein gerichtet, als schaffe er es nicht, Jurik ins Gesicht zu blicken. Jurik kannte diesen gierigen Ausdruck, von sich selbst mehr als von Anders, und er nickte grimmig.
»Sag dem Mädchen, es soll uns einen zweiten Becher bringen.« Den Gulden steckte er ein. Nicht entsetzlich viel für einen Tagessold, und noch viel weniger für die Monate, die er jetzt schon mit Anders und Halan verbrachte - er war, wenn schon kein Hauptmann mehr, dann doch immer noch ein Söldner, und er konnte sich nicht leisten, seine Dienste zu verschenken. »Möchtest du reden?«
Anders schüttelte den Kopf. Seinen Holzbecher hielt er fest in beiden Händen wie einen Schatz, den ihm niemand wegnehmen konnte. Aber vielleicht wollte er auch nur seine Handflächen vor Juriks Augen verbergen. Unter seinen Fingernägeln klebte Blut. Es widerte Jurik an. Am liebsten hätte er den Jungen übers Knie gelegt - wenn der Schmerzen haben wollte, das ging auch einfacher - aber statt dessen schenkte er ihm nur ein.
»Willst du auch was essen?« fragte er. »Das Gold reicht für ‘nen Eintopf.« Ein Gulden mit dem geflügelten Löwen - Jurik mußte nicht fragen, von wem Anders den hatte.
»Hab keinen Hunger«, murmelte Anders. Jurik bestand nicht darauf. Anders mußte selbst wissen, ob er sich nachher die Seele aus dem Leib kotzen wollte. Er hatte selbst nicht den rechten Appetit.
Anders wollte nicht reden - daran war Jurik gewöhnt. Doch wo normalerweise der Wein seine Zunge gelockert hätte, schwieg der Junge diesmal hartnäckig - was immer Jurik versuchte, aus Anders war kaum mehr herauszuholen als ein Schulternzucken.
Nach einiger Zeit - länger, als es dauerte, ein paar Taschen hinaufzutragen - kehrte Ember zurück, doch er schenkte Jurik und Anders nur einen abschätzigen Blick, bevor er sich an einem anderen Tisch niederließ. Und doch war es genug, um Anders zusammenzucken zu lassen wie ein getretener Hund. Und es wurde wieder kälter.
Jurik blickte Anders nach, als dieser wortlos aufstand und unsicheren Schrittes zur Treppe ging. In diesem Moment verspürte er mehr Mitleid mit Halan, der sich das Zimmer mit Anders teilen mußte - Halan mit seiner ach so empfindlichen Nase, die kaum etwas mehr zu hassen schien als den Geruch von Wein. Und wahrscheinlich würde Anders dazu noch schnarchen wie ein Bär - nein, eigentlich war es doch Anders, der Jurik leid tat, auf eine wütende Weise.
Der Krug war leer. Jurik haderte mit sich, ob er einen zweiten bestellen sollte - schließlich waren ihm kaum mehr als zweieinhalb Becher geblieben, wahrlich nicht viel - das Gold aus Loringaril wog schwer in seiner Tasche, ein Gulden für Wein… Jurik knurrte leise und verfluchte Anders. Ein Krug Wein war gerade richtig für einen Abend, ein halber war zu wenig - doch anderthalb waren zuviel. Keinen Wein mehr für diesen Abend. Jurik fluchte. Seine Ruhe war hin.
»Ihr solltet Euch schämen«, zischte eine Stimme in Nähe seines Ohres. Jurik schrak hoch. Er hatte Ember nicht kommen hören. Der Iltis hatte Katzenpfoten.
»So?« fragte Jurik zurück und wartete gespannt, was kommen mochte. Wenn sein alter Mantel Embers Mißfallen erregt haben sollte…
»Den Prinzen betrunken zu machen«, schloß Ember seine Anklage.
Jurik blieb ruhig. Er war zu alt für Ohrfeigen, und Ember wahrscheinlich auch. »Ihr irrt«, sagte er lächelnd. »Mit jedem Wort. Erstens ist der Junge kein Prinz. Bestenfalls ist er König, aber Prinzen gibt es in Koristan keine, und das solltet Ihr wissen, Berater. Zweitens habe nicht ich ihn betrunken gemacht, sondern er sich selbst - und wer bin ich, die Entscheidungen eines hochwohlgeborenen Prinzen in Frage zu stellen? Drittens hätte er es gar nicht tun können ohne Euer Geld.« Der Gulden wanderte wie von selbst auf die Tischplatte, Löwen zuoberst. »Und viertens«, schloß Jurik mit einem Grollen in der Stimme, das schon viele zu Recht fürchten gelernt hatten, »seid Ihr es, der sich schämen sollte, Herr Ember.«
In Embers breites Gesicht war Unschuld gemeißelt. »Schämen? Wofür?«
»Setzt Euch!« befahl Jurik und wollte nichts weniger, als einen Tisch mit diesem Mann zu teilen. Und Ember gehorchte.
Jurik stützte sich auf die Ellbogen und lehnte sich vor, und er sprach nicht lauter als unbedingt nötig. Er wußte zuviel über die Ohren von Wirten, und zuviel über die Zungen ihrer Frauen. »Glaubt Ihr, ich habe keine Augen im Kopf?« fragte er dann. »Oder soll ich übersehen, daß Ihr den Jungen erpreßt?«
»Erpreßt?« wiederholte Ember und formte einen Bogen aus seinen Augenbrauen.
»Ich will nicht wissen, womit«, fuhr Jurik fort. »Was Ihr gegen Alexander in der Hand zu haben glaubt, ist Eure Sache, und der Junge zahlt teuer genug dafür, daß Ihr es für Euch behaltet. Aber wenn Ihr ihn nicht in Frieden laßt, Ember, wird Euch das leid tun.«
Ember bot ein Lachen dar. »Guter Mann, aus Euch spricht der Wein! Wie sollte ich den Prinzen erpressen? Gerade eben sagtet Ihr noch, ich hätte ihm Geld gegeben - ist es das, was Erpresser tun?«
»Nicht um Geld«, zischte Jurik. »Um Macht, vermute ich, um eine Aufgabe, um was auch immer - ich will es nicht wissen. Ich sehe nur Alexander vor die Hunde gehen, seit Ihr dabei seid. Und ich lasse das nicht zu.«
Ember schüttelte den Kopf - es sollte wohl Belustigung darstellen. Dann klatschte er in die Hände, um die Schankmagd an den Tisch zu holen. »Offenbar seid Ihr nicht eingeweiht - der Prinz ist aufgewühlt, seit er weiß, daß die Krone in die falschen Hände gefallen ist.« Vielleicht nahm Ember Jurik nicht ernst - ganz sicher sogar - aber das führte nicht nur zu diesen lächerlichen Hohnversuchen. Es führte auch dazu, daß Ember mehr von sich preisgab, als er selbst wollte. Zwar wählte er weiter die geschliffenen Worte eines Höflings, aber er dachte nicht mehr daran, seine Stimme zu verstellen. Fort waren die ermüdend bedächtigen Sprechpausen, und fort war auch das unterwürfige Zischeln. »Bring uns einen Wein!« herrschte er das Mädchen an. »Aber« - er schnüffelte geringschätzig - »einen besseren als diesen hier.« Danach hatte sein Lächeln beinahe etwas Entschuldigendes, als hätte er irrtümlich Juriks Mutter beleidigt.
Jurik nickte bei sich. Ember war fähig darin, die Schwächen seiner Gegenüber in Erfahrung zu bringen. Nun lagen Anders’ Schwächen so sehr auf der Hand, daß man manchmal schon mit Gewalt über sie hinwegsehen mußte, aber was er nun mit Jurik versuchte - diese Beiläufigkeit, mit der er nach dem Wein schickte… Aber vielleicht überschätzte Jurik ihn auch. Wein sollte immer der erste Versuch bei einem alten Soldaten sein, und danach waren meist keine weiteren nötig.
»Ihr täuscht mich nicht«, sagte er. »Euer schmieriges Gehabe mag auf einen Höfling wirken, nicht auf mich. Ich kenne Alexander, seit er ein Wickelkind ist, und ich weiß, wie er wann reagiert.« Er sprach weiter, auch als er merkte, daß er zuviel gesagt hatte, zuviel von sich. »Und ich weiß, wann er nur Sorgen um sein Land hat, und wann er erpreßt wird.«
»So?« fragte Ember und hielt seinen Kelch gegen das Licht des Kamins. Dieser Wein wurde tatsächlich mit einem Glas geliefert. Zumindest für Ember. Jurik durfte seinen Holzbecher behalten. »Nun, wenn das Euer Glaube ist, dann kann und will ich ihn Euch nicht nehmen. Und wenn Ihr selbst sagt, es geht Euch nichts an…«
»Was aus dem Jungen wird, geht mich an«, knurrte Jurik. »Und Euch auch, denn wenn er sich umbringt, nützt Euch Eure ganze feine Macht nicht mehr soviel.« Er drückte Daumen und Zeigefinger zusammen. »Aber was Ihr überseht, Ember, ist, daß auch ich Macht habe.« Jurik zog sein Schwert, langsam, damit es nicht nach einem Angriff aussah, und streckte es Ember hin.
»Wollt ihr mir drohen?« Ember lachte leise, und noch fehlte die Nervosität darin - aber Jurik gab vor, die Frage zu ignorieren.
»Was haltet Ihr hiervon?« fragte er leichthin.
Ember beugte sich vor, warf einen Blick auf die Schneide, und lehnte sich wieder zurück, kopfschüttelnd. Hatte er wirklich keine Angst? Traute er Jurik so wenig zu? »Das ist ein erbärmliches Schwert«, sagte er. »Vor zwanzig Jahren hättet Ihr mich damit vielleicht das Fürchten gelehrt, aber jetzt? Die Klinge ist stumpf, wo sie nicht schartig ist, und voller Rostflecken - aber ich vermute, Ihr könnt Euch weder Öl, noch einen Wetzstein leisten.«
Jurik blieb ruhig, nippte kurz an seinem Wein, ehe er sagte: »Es geht nicht um das Schwert. Es geht um die Hand, die es führt.«
Und jetzt erbleichte Ember endlich für einen Augenblick.
Juriks Hand war schwielig, sein braungebrannter Arm von Narben übersäht, die sich weiß von der Haut abzeichneten. Darunter spannten sich die Muskeln. Es war eine Hand, die getötet hatte.
Jurik nahm einen weiteren Schluck, ehe er langsam das Schwert wieder wegsteckte. »Ich denke, Ihr habt mich verstanden«, sagte er leise. »Habt Dank für den Wein.«
Dann stand er, ohne eine Antwort abzuwarten, auf, und ging in seine Kammer. Den halbvollen Becher ließ er stehen.

Am anderen Morgen stand Jurik zeitig auf, um auf jedem Fall vor dem Iltis in der Schankstube zu sein. Solange er nicht wissen konnte, ob sich Ember die Drohungen zu Herzen nehmen würde, sollte der Mann keine Gelegenheit bekommen, mit Anders allein zu sein.
Aber vielleicht war es auch nur die Wut, die Jurik um den Schlaf brachte. Er fühlte sich leicht verkatert, als er aufstand und die Treppe hinunterhumpelte, doch auch das schien weniger vom Wein zu kommen. Mit einem kleinen Seufzer setzte er sich in eine schattige Ecke, die vom Licht der gerade aufgehenden Sonne noch nicht berührt wurde, und begann zu warten, bis ihm die Augenlider wieder zufielen.
»Guten Morgen«, sagte eine Mädchenstimme, und Jurik schrak hoch. »Möchtet Ihr frühstücken?«
War es nicht ein schöner Tag, wenn das erste, das man erblickte, das Lächeln einer Frau war? »Erst mal nur einen Malzkaffee«, sagte Jurik. Die Wirtstochter sah kaum ausgeschlafener aus als er. »Du kannst dir auch einen machen, wenn du magst, ich lade dich ein.«
Sie warf einen angespannten Blick zur Treppe, die Jurik wieder im Auge hielt. »Sind die Herrschaften auch schon auf?«
Jurik schüttelte den Kopf. »Um diese Tageszeit? Sie wären keine Herrschaften, wenn sie so früh aufstünden wie wir.«
Das reichte für ein leises Lachen, und bald auch für zwei Becher heißen Malzkaffee.
»Wenn nicht gerade Leute wie wir vorbeikommen«, sagte Jurik, »habt ihr hier draußen ein schönes ruhiges Leben.« Er hatte nicht vor, mit dem Mädchen anzubandeln, aber er genoß jede Möglichkeit, sich mit Menschen - richtigen, normalen Menschen - zu unterhalten.
Das Mädchen schnaubte, leise, aber vernehmlich. »Ruhig ja«, sagt sie und rührte heftiger in ihrem Kaffee als nötig. Dann blickte sie Jurik abschätzig an. »Hört mal, Ihr seid doch auch Soldat gewesen, oder?«
»Söldner«, antwortete Jurik. »Und ich bin es noch.« Er wußte, daß sie ihm jetzt auf den Fuß starren würde, oder zumindest auf den Gehstock.
Aber das tat sich nicht. »Hab Ihr irgendwo Frau und Kinder?« fragte sie statt dessen.
Jurik schüttelte den Kopf. »Nicht, daß ich wüßte.« Jedenfalls keine, zu denen es sich lohnen würde zurückzukehren.
Sie hob eine Augenbraue. »Wenn doch - laßt sie in Frieden.« Ihr Tonfall war hart, und verletzlich. Sie schob die beiden leeren Becher zusammen. »Danke noch mal für den Kaffee, aber wenn Ihr Euch weiter mit mir unterhalten wollt, müßt ihr schon in den Kuhstall mitkommen.«
»Kuhstall?« fragte Jurik, für einen Moment erstaunt.
Jetzt lachte sie wieder. »Denkt Ihr, die Herrschaften trinken Malzkaffee? Was meint Ihr wohl, wo morgens die frische warme Milch herkommt?«
Jurik grinste zurück. »Frag das nicht mich«, sagte er. Aber er ging nicht mit. Er war zu alt, um sich mit Frauen im Kuhstall zu vergnügen. Und wahrscheinlich dachte sie auch wirklich nur ans Melken.
Jurik blieb in der Wirtsstube und wartete auf die Herrschaften.
Als erstes kam Halan die Treppe herunter, bleich und mit einem Lächeln, das dazu geeignet war, ein Todesurteil zu verkünden. Aber so sah Halan immer aus, man konnte nie erahnen, in welcher Stimmung er sich befand oder was er dachte. Er blieb an Juriks Tisch stehen - daß er sich freiwillig zu ihm setzte, war auch sicher zuviel verlangt - und nickte ihm zu. »Guten Morgen, Jurik«, sagte er leise.
Diesmal kam es nicht so unvorbereitet. »Guten Morgen auch«, erwiderte Jurik. »Gut geschlafen?«
Keine Antwort. Natürlich, diese Frage geziemte sich nicht.
»Wie geht es Anders?«
Nun schenkte ihm Halan einen dermaßen frostigen Blick, daß man es beinahe für eine Gefühlsregung hätte halten können. Ohne weitere Worte ließ Halan sich an einem anderen Tisch nieder. Auch er schien zu warten. Auf Ember? Kurz überlege Jurik, ob er doch noch in den Kuhstall übersiedeln sollte, um Halan zumindest die Hoffnung zu geben, einige Worte unter vier Augen mit dem Iltis wechseln zu können. Aber Jurik blieb sitzen. Er hatte die älteren Rechte am Warten; er schuldete diesem Engelsgeborenen nichts, und außerdem kam auch schon das Mädchen mit der Milch zurück.
Nachdem sie nun zu zweit in der Wirtsstube warteten und kein Wort miteinander wechselten, schien die Zeit langsamer zu vergehen als zuvor. Jurik lehnte sich zurück und döste noch ein wenig, bis ihn ein Poltern hochschrecken ließ.
Es war Anders, der so schnell die Treppe hinunterhastete, daß er beinahe gestürzt wäre. Er sah so elend und verkatert aus, wie Jurik erhofft hatte. Vor allem aber stand Furcht in seinem Gesicht. Er blickte sich gehetzt um zwischen Juriks Tisch auf der einen Seite und Halans auf der anderen, als wisse er nicht, zu wem er sich setzen sollte - schließlich wählte er doch wieder Halans Seite, und das keinen Augenblick zu früh, denn nun tauchte am Treppenkopf endlich Ember auf.
Als der Mann die Treppe hinunterkam, konnte Jurik sich ein Lachen kaum verkneifen, selbst wenn er es dann nur bei einem breiten Schmunzeln beließ: Ember hatte sich in der Tat Juriks Worte vom Abend zu Herzen genommen, oder zumindest die Drohungen, denn so wie Jurik sein Schwert immer offen an seiner Seite trug, war nun auch Ember bewaffnet. Mit einem Dolch. Vielleicht sollte es auch so etwas wie ein Kurzschwert darstellen, aber um Jurik damit gefährlich zu werden, hätte er die Klinge schon vergiften müssen. Zuzutrauen war es ihm allemal. Mit der Stimmung hatte er schließlich nichts anderes getan. Aber er hatte Angst vor Jurik. Und das war gut so.
»Guten Morgen, Ember«, sagte Jurik laut, als dieser zielstrebig auf Anders’ Tisch zusteuerte. »Ich hoffe, Ihr habt wohl geruht? Keine bösen Träume, die Euch plagten?«
Ember zuckte zusammen, so wie vor ihm Anders, und fuhr kurz mit der linken Hand zum Griff seines Dolches, nur um sich dann doch nur rasch die Kleidung zurechtzuzupfen. Und sich an einen freien Tisch zu setzen.
Jurik lächelte in sich hinein. Das klappte doch! Aber dann verfinsterte sich seine Stimmung wieder. Dies war nur ein Morgen. Was folgte, war nicht nur der restliche Tag - was folgte, waren noch mindestens vier Wochen, bis sie wieder in Koristir waren. Das konnte doch nicht vier Wochen lang so weitergehen? Zwei Jungen und zwei Männer, die sich haßten und verabscheuten, kaum ein Wort miteinander wechselten? Wer zwang Jurik, sich das noch länger zuzumuten? Zum wiederholten Mal verfluchte sich Jurik, daß er geblieben war. Aber er blieb.
Tatsächlich gelang es Ember, sein Maul zu halten bis nach dem Frühstück, und er belästigte Anders auch nicht weiter - nicht, daß der Junge dadurch besser gegessen hätte. Aber dann mußte der Iltis wohl zu dem Schluß gekommen sein, daß Jurik ihn wohl kaum vor aller Augen niederstrecken würde, und er unternahm den nächsten Angriff, noch während sie die Pferde für den Weiterritt sattelten.
Unter dem unbarmherzigsten Blick, den Jurik aufbringen konnte, ließ Ember zwar noch zu, daß Anders Farrell selbst sattelte, aber dann sagte er mit gehobenen Augenbrauen: »Es kann doch kaum Eure Absicht sein, über Loringaril zurückzureiten, mein Prinz?«
Anders antwortete durch zusammengebissene Zähne: »Es ist. Meine Absicht.«
»Aber, mein Prinz, davon muß ich Euch in höchstem Maße abraten.«
Anders starrte zu Boden. Das war kein gutes Zeichen. »Ich bin nicht. Euer Prinz.«
Darauf ging Ember nicht ein. Nicht wirklich. Nur ein verlogen-unterwürfiges Lächeln. »Wie Ihr wünscht… Es ist nicht an mir, Eure Entscheidungen in Frage zu stellen. Aber Ihr werdet mir vergeben, daß ich… um Eure Sicherheit besorgt bin.«
Anders’ Sicherheit? Jurik hätte gerne laute darauf hingewiesen, daß Ember gerade dabei war, Anders’ Selbstmord vorzubereiten. Aber er sagte nichts.
»Ach ja?« Ein klein wenig des alten Trotzes schwang wieder in der Stimme des Jungen mit. Nicht viel, aber wenigstens etwas.
»Mein Prinz, in Loringaril herrscht mittlerweile Krieg! Doubladirs Armeen ziehen über das Land, eine Spur der Verwüstung hinterlassend…« Jurik hustete, doch Ember sprach weiter: »Sie würden auch vor Euch keinen Halt machen, selbst wenn Ihr keine Loringarim seid, selbst wenn Ihr Engelsgeborene seid…« Dann erst blickte er zu Jurik hinüber. »Was ist?«
Jurik benötigte einen Moment, um wieder zu Atem zu kommen. »Mein guter Mann, Ihr traut Doubladir ja einiges zu! Aber selbst wenn seine Armeen auf den Schwingen der Rache reisen, heißt das nicht, daß sie auch fliegen können! Es dauert seine Zeit, eine Armee auszuheben, die groß genug ist, um Loringaril einzunehmen. Und wenn, dann werden sie sicher nicht an Loringarils Westrand damit anfangen, sondern von Osten kommen, den Aleruan überqueren und sich dann Meile für Meile vorarbeiten, bis Lomar fällt. Krieg oder nicht, der Westen ist sicher, sogar für Engelsgeborene.« Sicherer als Koristan alle Male, aber es reichte, daß Jurik sich einmal den Mund deswegen fusselig geredet hatte.
Ember senkte den Kopf. »So? Ihr scheint Euch ja gut mit Doubladir auszukennen - und mit seiner Strategie.«
Jurik grinste. »Besser als Ihr, möchte ich meinen. Doubladir beginnt alle paar Jahre einen Krieg mit Loringaril, rückt geradlinig vor, liefert sich ein paar Schlachten entlang des Aleruans, zeigt sich beeindruckt von der Stärke Loringarils und willigt dann zähneknirschend in einen Friedensvertrag ein, ohne etwas gewonnen zu haben oder etwas verloren als ein paar hundert Leben, ein paar tausend, wenn’s hochkommt. Jetzt wird es nicht anders laufen.« Er hatte auf beiden Seiten gedient. Dies war der erste Krieg, der ohne ihn auskommen mußte.
Ember wurde etwas hektischer. »Aber allein das Risiko, daß etwas passieren könnte… Loringaril ist in höchstem Alarmzustand, man könnte die Prinzen für Spione halten und festsetzen… Ihr wißt selbst, wie es um den Verstand des Königs bestellt ist…«
Jurik hatte die Nase voll. »Mir scheint«, sagte er laut, »der einzige, der in Loringaril in Gefahr ist, seid Ihr.«
Ember erbleichte. Nur kurz, aber er erbleichte. »Was… meint Ihr?«
»Hochverrat.« Jurik dehnte das Wort. »Oder habe ich Unrecht?«
»Ja«, sagte Ember, aber natürlich ging es weiter mit: »Ihr habt Unrecht.«
Jurik hatte keine Zweifel mehr. Das ganze Gold mußte irgendwo herkommen - sicher aus der königlichen Schatzkammer. Ein Berater, der in Unehre entlassen wurde, erhielt keine Entschädigung. Gold aus der Schatzkammer, ein paar Schwerter aus dem königlichen Arsenal… Jurik stutzte. Wenn Ember richtige Schwerter gestohlen hatte, warum trug er dann nur einen Dolch? Irgend etwas war hier faul…
»Hochverrat«, sagte er leise. »Für Loringaril reicht aus, daß Ihr nun Koristan dient. Euer Kopf wackelt, so oder so.«
Ember schwieg. Das war der erfreulichste Augenblick an diesem Morgen, noch vor der Wirtstochter. Er reichte ungefähr so lange, bis Anders sagte: »Dann reiten wir durch Jelenandrea.«
Und Jurik verfluchte sich, daß er die ganze Zeit über nur auf Herrn Ember geachtet hatte.

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